Wegschauen in Vaduz

Ein Gesuch um Amtshilfe aus den USA fördert das Versagen der Führung der Liechtensteinischen Landesbank im Steuerstreit zutage. Handelszeitung, 12. Juli 2012

Das Liechtensteiner Parlament warf am 21. März in einer Nacht-und-Nebel-Aktion das alte Bankgeheimnis über Bord. Vier Monate später wird klar, warum. Hätte sich das Fürstentum quergelegt, dann hätten die Vereinigten Staaten die staatliche Liechtensteinische Landesbank möglicherweise als „kriminelle Organisation“ angeklagt.

Darauf deuten Informationen hin, die in einem Amtshilfegesuch der USA vom 11. Mai in Sachen „Undeclared Accounts at Liechtensteinische Landesbank AG“ enthalten sind. Die Amerikaner behaupten, dass die oberste Führung in Vaduz über die Mithilfe zur Steuerhinterziehung im Bild war. Die US-Fahnder machen geltend, dass der Schweizer Ableger der Landesbank Beschlüsse der Zentrale in den Wind geschlagen habe.

Das würde auf ein schweres Kontrollversagen hinweisen. Rückblickend stellt sich auch die Frage, ob Landesbank-Chef Josef Fehr im Januar tatsächlich aus freien Stücken von Bord ging, wie es die Formulierung „aus persönlichen Gründen und auf eigenen Wunsch“ damals nahelegte. Sprecher Cyrill Sele weicht aus und verweist auf das entsprechende Communiqué. Die Gefahrenlage sei nie akut gewesen. „Es gab damals keine Anzeichen für eine Anklage, es gibt auch heute keine.“

Doch im Januar herrschte am Hauptsitz in Vaduz Alarmstufe Rot. Die USA erhöhten den Druck auf die Schweizer Filiale der Liechtensteinischen Landesbank und zehn weitere Banken mit Sitz in der Schweiz. Die elf Institute hatten US-Kunden mit unversteuerten Vermögen bei sich aufgenommen, die im Frühling 2008 von der UBS abgeschoben worden waren. Die Bank Wegelin musste ihr Nicht-US-Geschäft notfallmässig an Raiffeisen verkaufen und wurde im Februar von den Vereinigten Staaten als „verbrecherische Organisation“ angeklagt.

In ihrem Amtshilfegesuch zeichnet die US-Justiz ein Bild von Schlendrian und aktivem Wegschauen an der Spitze der Landesbank. Gestützt auf Unterlagen der Bank geht sie davon aus, dass die oberste Führungsriege alles wusste. „Es macht den Anschein, dass sich das Management der LLB in Vaduz bewusst war über die Risiken, die durch das Verhalten ihrer 100-Prozent-Tochter in der Schweiz entstanden.“ Mit ihrem Gesuch fordern die USA von den Liechtensteiner Steuerbehörden die Herausgabe aller relevanten Daten von US-Kunden der Landesbank und von Drittanbietern wie externen Vermögensverwaltern, Anwälten und Treuhändern, die für diese Kunden tätig waren.

Die Zentrale wusste Bescheid

Die Chefs in Vaduz hätten der Entwicklung „während einer langen Zeit“ freien Lauf gelassen, statt ihre Schweizer Banker zurückzupfeifen, schreiben die Amerikaner. Als Beispiel schildern sie das Verhalten der Spitze im Frühsommer 2008, als die UBS im Steuerstreit täglich Schlagzeilen machte. Die Geschäftsleitung der Landesbank habe „im Juni 2008 formell entschieden, keine weiteren Strukturen mit US-Begünstigten mehr zu erlauben“, steht im Gesuch. Sie habe festgestellt, dass dies auch für ihre Schweizer Niederlassung gelte, habe dann aber festgehalten, dass „der Entscheid für das Management der LLB Schweiz formell nicht bindend“ sei. Die Konsequenzen sind gravierend. Die Amerikaner schreiben, dass die Schweizer Niederlassung laut eigenem Risiko-Komitee im September 2008 beschlossen habe, dass man „den Entscheid (der Zentrale), überhaupt keine US-Personen mehr zu akzeptieren, nicht unterstützen“ werde.

Einen ebenso lockeren Umgang der Liechtensteinischen Landesbank Schweiz mit Beschlüssen aus der Zentrale registrierten die Fahnder Ende 2008. Die operative Führungsspitze der Gruppe habe damals entschieden, dass „nur noch US-Personen akzeptiert würden, die sich für eine Offenlegung mittels Formular W-9 einverstanden“ erklärten. Dieser Entscheid sei dem Schweizer Management im Dezember 2008 kommuniziert worden. „Nichtsdestotrotz (…) wurden 2009 einzelne neue Konten, die einen US-Steuerpflichten als Endbegünstigten hatten, bei der LLB Schweiz eröffnet.“

Landesbank-Sprecher Sele hebt hervor, wie früh seine Bank auf die Bremse getreten sei: „Wir befassten uns schon vor 2008 mit der US-Thematik und entschieden 2008, auf US-Persons ganz zu verzichten, es sei denn, die Kunden konnten die entsprechenden Formulare vorweisen, dass sie ihren Steuerpflichten nachkommen.“

Seit dem Entscheid des Parlaments im März ist in Liechtenstein von einer Lex LLB die Rede. War Steuerhinterziehung bis dahin kein amtshilfefähiges Strafdelikt, wurden nun Amerikaner offengelegt, die ihre Gelder bei Liechtensteiner Banken vor dem Fiskus versteckten. Die Rechtsanpassung geschah rückwirkend und machte aus einem Gentleman’s Delict ein international zu ahndendes Verbrechen.

Kaum trat das Notgesetz im Mai in Kraft, forderten die Amerikaner Auskunft über die US-Kunden der Liechtensteinischen Landesbank. Jeder mit mindestens einer halben Million Dollar auf einem per Anfang 2004 aktiven Konto müsste zusammen mit sämtlichen Unterlagen über Drittanbieter wie Anwälte, Treuhänder und externe Vermögensverwalter bekannt gemacht werden. Gemäss dem Gesuch, das von den Liechtensteiner Behörden „wenn immer möglich“ geheim behandelt werden sollte, fallen 146 US-Kunden der Liechtensteinischen Landesbank in die willkürlich bestimmte Kategorie.

Verdoppelung der US-Vermögen

Als besonders problematisch hat sich die enge Zusammenarbeit der Liechtensteinischen Landesbank mit einem Zürcher Treuhänder erwiesen, der lange für die UBS Steuerstrukturen in Offshore-Ländern gezimmert hatte und von den USA vor Jahresfrist angeklagt worden war. Er soll mehr als 60 US-Steuerpflichtigen beim Verstecken von über 184 Millionen Dollar geholfen haben. Gestützt auf Unterlagen der Liechtensteinischen Landesbank sehen die USA den Treuhänder als wichtige Figur in der Phase ab Ende 2007. Damals wies die Liechtensteinische Landesbank Schweiz 86 Millionen Dollar US-Vermögen auf. Bis Ende 2009 stieg der Gesamtbestand auf 197 Millionen an.

Mehrheitlich habe es sich um Kunden des Treuhänders gehandelt, schreiben die USA. Brisant waren insbesondere zwei neue Konten mit total 22 Millionen Dollar. Diese wurden erst 2009 bei der Liechtensteinischen Landesbank eröffnet – zu einer Zeit, als die UBS um Haaresbreite einer Anklage als „kriminelle Organisation“ entgangen war.


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