Wegelin kapitulierte in New York

Bank-Chef Konrad Hummler konnte nicht auf die Hilfe von Bern zählen. SonntagsZeitung, 29. Januar 2012

Letzten Donnerstag, Staatsanwaltschaft Southern District of New York: Die von Wegelinbeauftragten Anwälte der US-Starkanzlei Goodwin Procter präsentieren die Kapitulation. Wegelin verkauft alle ihre guten Kunden und Geschäfte an die Raiffeisen-Gruppe und behält allein das toxische US-Offshoregeschäft. Dieses wird liquidiert.

«Staatsanwalt Preet Bharara und seine Leute nahmen das kommentarlos entgegen», sagt eine Quelle. «Das genügte für das O. K. von Bern.» Am Freitag früh wurden die Verträge zwischen Wegelin und Raiffeisen unterzeichnet. Das Ende der ältesten Privatbank der Schweiz war besiegelt.

Beim Zürcher Reitturnier CSI hatte Wegelin gestern den letzten Auftritt. Nach dem Springen am Mittag wurde das Wegelin-Logo auf den Banden mit dem Notenstein-Schriftzug übermalt. Die traditionelleWegelin-Challenge hiess Notenstein-Challenge.

Den USA genügten drei Wochen, um Wegelin-Chef Konrad Hummler in die Knie zu zwingen. Am 3. Januar klagten sie drei Kundenberater des St. Galler Institutes an. In ihrer Anklageschrift bezeichneten sie einen der unbeschränkt haftenden Wegelin-Partner als Co-Konspirator. Noch in der gleichen Woche stellten sie den Sankt Gallern ein Ultimatum: Entweder Wegelin liefert innert weniger Tage die Namen aller US-Steuersünder. Oder die Bank respektive deren Partner werden angeklagt.

Das ist exakt dasselbe Szenario, mit dem die USA drei Jahre zuvor die UBS zur Kapitulation gezwungen hatten. Weil Wegelin kein systemrelevantes Institut ist, konnten die Partner nicht darauf hoffen, dass die Finanzmarktaufsicht (Finma) per Notrecht die Herausgabe der Daten anordnet und die Bank verschont bleibt.

SNB sollte als Clearingstelle einspringen

Hummler trennte sich nur schwer von seinem Lebenswerk. Klar war, dass eine Anklage seine Bank vom Finanzsystem abschneiden und in den Ruin treiben würde. Hummler fragte beim Bundesrat nach, ob die Schweizerische Nationalbank (SNB) im Krisenfall als Clearingstelle einspringen und die Abwicklung von Dollar-Geschäften übernehmen würde. Doch Bern winkte ab.

Dann präsentierte Hummler der Finma eine Lösung, bei der die guten Wegelin-Teile in die Onlinetochter Nettobank transferiert worden wären. So hätten die Wegelin-Partner ihr Kerngeschäft retten können. Doch die Behörde stieg auch darauf nicht ein. «Vermutlich befürchtete die Finma, dass dies die USA als Trick ansehen und aus Verärgerung die systemrelevante Credit Suisse anklagen würden», sagt die Quelle. Das wäre zur Gefahr für das ganze Schweizer Finanzsystem geworden.

Als letzte Option blieb der Verkauf. Das Projekt trug den Namen eines Ostschweizer Berges, nur ein kleiner Teil an der Wegelin-Spitze war eingeweiht. Für den guten Teil des Wegelin-Geschäfts mit dem Schweizer Filialnetz, die rund 700 Mitarbeiter und die rund 23 Milliarden Kundenvermögen sollte ein Käufer gefunden werden.

Privatinvestoren zeigten wenig Interesse. Da kam Raiffeisen mit ihrer gefüllten Kriegskasse aus der gescheiterten Akquisition der Bank Sarasin ins Spiel. Am Dienstag, 17. Januar, fand das erste Treffen mit Raiffeisen-CEO Pierin Vincenz statt. Parallel dazu sandte Wegelin den USA Friedenszeichen aus.Wegelin-Zürich-Chef Christian Hafner wurde beurlaubt.

Bankenprofessor wirft Behörden Versagen vor

Am Montag erfuhr ein breiter Wegelin-Kreis inklusive Angehörigen der alten Familie vom bevorstehenden Verkauf. Noch war der Deal aber nicht sicher. Die Finma wollte vor einer Zustimmung die Lage in den USA ausloten. Erst nach der Präsentation der Goodwin-Anwälte beim New Yorker Staatsanwalt hatte Bern keine Vorbehalte mehr.

Der Zürcher Bankenprofessor und Hummler-Berater Martin Janssen wirft den Behörden Versagen vor: «Ein US-Staatsanwalt muss nur mit einer Anklage drohen, und schon geht eine Schweizer Bank unter», sagt er. Selbstverständlich habe Wegelin Fehler gemacht. «Aber die Schweiz hat dieses Geschäftsmodell mitgetragen», sagt Janssen.

Die Weichen für das Ende hatten Hummler und seine sieben Partner im Frühling 2008 gestellt. Damals suchten viele US-Kunden der UBS einen neuen Unterschlupf für ihre unversteuerten Vermögen. Das führte zu Debatten der Wegelin-Chefs über Chancen und Risiken. Zuletzt beschlossen sie gemeinsam, die US-Kunden der UBS aufzunehmen.

Das Risiko stieg schlagartig, als ein Kadermann, der 2005 von der Bank Vontobel gekommen war und beiWegelin ein US-Offshoreteam aufbaute, im Herbst 2010 in Miami verhaftet wurde. Um seine eigene Strafe zu minimieren, soll der Wegelin-Mann die Partner mit falschen Vorwürfen belastet haben, sagt eine Quelle. Die Kooperation war entscheidend für die harten Anschuldigungen in der Anklageschrift von Anfang Jahr. Ohne ihren Kronzeugen hätten die USA Wegelin kaum in die Knie zwingen können.

Janssen befürchtet, dass sich die USA nun weitere Schweizer Finanzinstitute vorknöpfen werden. «Ich schliesse nicht aus, dass die USA als Nächstes einer Kantonalbank mit einer Anklage drohen. Jetzt wissen sie, wie einfach es gehen kann.»


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