UBS unter Generalverdacht

Treffen die Vorwürfe aus Deutschland zu, muss UBS mit einer saftigen Vergleichszahlung rechnen. Der Sonntag, 12. August 2012

Für UBS-Kundenberater ist es ein Leichtes, Milliardenvermögen von Steuerflüchtigen nach Singapur zu verschieben. Der UBS droht ein ähnliches Desaster wie im US-Steuerkrieg.

Die UBS agierte diese Woche eigenartig defensiv. Als das deutsche Bundesland Nordrhein-Westfalen (NRW) den Vorwurf der systematischen Schwarzgeldverschiebung nach Singapur erhob, blieb die Grossbank eine überzeugende Antwort schuldig. Ein Sprecher meinte lediglich, die UBS würde «keine Zunahme von Anfragen nach Vermögenstransfers in andere Regionen» registrieren.

Wäre sich die Bank ihrer Sache sicher, dann wäre ein klares Dementi wahrscheinlich gewesen. So bleibt der Verdacht bestehen, dass die deutschen Anschuldigungen zutreffen. Sie stammen von NRW-Finanzminister Norbert Walter-Borjans. In einem Interview bestätigte das SPD-Schwergewicht den Kauf neuer CDs mit gestohlenen Schweizer Bankkundendaten.

Das Timing war perfekt. Zuvor hatten deutsche Medien mit Verweis auf NRW-Insider von einer «Papierspur nach Singapur» berichtet. Auch soll ein Video UBS-Vermögensberater zeigen, die Deutschen steuerlich optimierte Vermögensverschiebungen nach Singapur empfohlen hätten. Der Singapur-Vorwurf eröffnet die nächste Front im Steuerkrieg. Das fertige Steuerabkommen, das nur noch von der deutschen Länderkammer abgesegnet werden muss, droht zu scheitern.

Walter-Borjans trifft den heiklen Nerv des Deals. Deutsche Steuersünder würden die Übergangsfrist bis Anfang 2013 nutzen, um sich aus dem Staub zu machen, um die maximal 41 Prozent Abgeltung für vergangene Steuerschulden zu umgehen. Die Schweiz wusste um das Problem, sagt ein Insider. Bankiervereinigung und Finanzmarktaufsicht Finma hätten Ende 2011 die Finanzhäuser «ultimativ» aufgefordert, deutschen Kunden eine Verschiebung in andere Weltgegenden keinesfalls aktiv zu empfehlen.

Ein Finma-Sprecher wollte sich dazu nicht äussern, eine Sprecherin der Bankiervereinigung sprach gegenüber Reuters von einem «Gentlemen’s Agreement», mit dem sich die Banken verpflichtet hätten, auf Massnahmen zur aktiven Umgehung des Abkommens zu verzichten.

Finanzministerin Eveline Widmer-Schlumpf haute in die gleiche Kerbe. Sie sehe keinerlei Anzeichen für hohe Abflüsse nach Singapur, sagte sie der «Aargauer Zeitung». «Erstens haben sich die Banken verpflichtet, solche Transfers aus steuerlichen Gründen nicht vorzunehmen, und zweitens ist das ganze Abkommen darauf ausgelegt, dass Gelder nicht irgendwohin verschoben werden.»

Doch für UBS-Berater war es ein Leichtes, grosse Vermögen aus der Schweiz ins asiatische Finanzzentrum zu verschieben. Dieses hat wie die Schweiz eine Tradition als Steuerparadies. Bis März 2009 galt Steuerhinterziehung allein als Sache des Kunden. In Singapur ist die UBS mit rund 2000 Mitarbeitern eine Finanzmacht. Seit 2008, als die UBS fast untergegangen war, hält der Singapur-Staatsfonds GIC über 6 Prozent an der Nummer 1 des Finanzplatzes.

Die UBS, die zu den Top 3 der weltweiten Wealthmanager gehört, ist für sehr reiche Kunden attraktiv, weil sie Milliardenvermögen über Nacht in Strukturen verpacken kann. Diese sind irgendwo auf der Welt domiziliert und für Aussenstehende schwer durchschaubar. Zuständig für das Verpacken und Verschieben von Grossvermögen ist die UBS-Abteilung Financial Planning. Die grosse Frage wird sein, ob sich die Experten zusammen mit den grossen Kundenberatern an die internen Regeln gehalten haben. Diese schreiben vor, dass ein Kunde, der sein Geld verschieben will, sich in Asien anmelden muss. Dort wird er nach dem Steuerstatus seines Vermögens gefragt.

Sollten die deutschen Fahnder belegen können, dass viele UBS-Mitarbeiter Vermögen ohne Kontrolle verschoben hatten, dann würde der Bank ein Strafverfahren wie in den USA drohen. Dort mussten die Schweizer Anfang 2009 zugeben, dass sie US-Bürgern systematisch beim Austricksen des Fiskus geholfen hatten. Mit 780 Millionen Dollar Busse, der Offenlegung von fast 5000 US-Kunden und dem Ausstieg aus dem amerikanischen Offshore-Geschäft kaufte sich die Bank frei. In Deutschland lagen die bisherigen Bussen für die Sünden der Schwarzgeld-Ära tiefer. Die CS zahlte 150 Millionen Euro, die Privatbank Julius Bär 50 Millionen. Bei der UBS wäre allein wegen ihrer Grösse mit mehr zu rechnen.


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