Im Osten viel Neues

Die Grossbanken UBS und CS verlagern im grossen Stil Aktivitäten nach Osteuropa. Das schafft Probleme – aber es rechnet sich. Handelszeitung, 6. Juni 2012

Polen gilt bei der Credit Suisse als Erfolgsgeschichte. Das Zentrum in Breslau wächst und wächst. Vor fünf Jahren legte die Grossbank mit knapp 100 Jobs los, heute beschäftigt sie in der südpolnischen Stadt beinahe 900 Mitarbeitende. Fast wöchentlich werden es mehr.

Jüngste Initiative ist der forcierte Aufbau von Informatikdiensten. Sie kommen zu den bisher ausgeführten Aufgaben für die Personalabteilung, die Finanzen und die Vermögensverwaltung hinzu – alles Prozesse, die früher in der Schweiz angesiedelt waren. Das Centre of Excellence in Polen, wie die Offshore-Zentrale intern genannt wird, hat sich durch den anhaltenden Aufschwung zum Daten- und Transaktionshinterhof des Schweizer Hauptsitzes gemausert.

Polen ist nur eine von fünf weltweiten Dienstleistungszentralen, weitere liegen in Singapur und in North Carolina in den USA. In Indien, wo die weltgrössten Outsourcing-Firmen zuhause sind, unterhält die CS gar gleich zwei solche Häuser. Alle Center of Excellence zusammen beschäftigen derzeit über 10000 Mitarbeitende, das entspricht mehr als 20 Prozent der weltweiten Belegschaft der Grossbank.

Karriere-Knick oder -Beschleuniger

Die Strategie der CS mit ihren Servicezentren ist Work in Progress. Wie in einem komplexen Tunnel- und Röhrensystem verschieben sich Jobs und Prozesse von einem Ort zum andern. Der Aufbau von Informatikleistungen in Polen geht einher mit dem Abbau von Diensten in anderen Zentralen. „Unser Zentrum in Polen gewinnt an Bedeutung“, sagt Sprecher Marc Dosch. „Neu werden dorthin vermehrt Informatikaktivitäten aus den anderen Dienstleistungszentren verlagert, die bereits teurer wurden oder deren operative Ausrichtung eine andere ist.“

Aus dem ständigen Fluss ragt eine Konstante heraus: In der Heimat haben die administrativen Billigjobs keine Zukunft. 08/15-Backoffice-Arbeiten mit ihrer geringen Wertschöpfung rechnen sich mit den hohen Schweizer Löhnen nicht mehr. Davon können selbst Informatiker betroffen sein, die grundsätzlich gesucht sind. Deren Jobs geraten bei der CS ebenfalls unter Druck. In Einzelfällen wird Schweizer Informatikspezialisten in der verlängerten Kündigungsfrist ein Projekteinsatz in Polenangeboten. Typisch sei das nicht, meint Bankensprecher Dosch, viel eher würden Auslandjahre in einem Dienstleistungszentrum für viele CS-Kader zum späteren Karrierebeschleuniger.

Während die CS ihre Offshore-Strategie für interne Dienste vorantreibt, kriegt Konkurrentin UBS zurzeit gerade die Tücken solcher Verlagerungen zu spüren. Vor Jahresfrist beschloss die Bank, ihren Informatiksupport an einen Zulieferer im ungarischen Budapest auszulagern. Es handelte sich um die Fortsetzung einer ersten Auslagerungswelle des Computer-Supports für alle UBS-Einheiten ausserhalb der Schweiz. Wie bei der CS waren die Kosten das Hauptmotiv des Schritts.

Fahrplanmässig begannen Angestellte von Cognizant – so heisst die von der UBS beauftragte Support-Firma -, Anfang 2012 UBS-Mitarbeiter im Heimmarkt Schweiz bei Problemen mit der Informatik zu unterstützen. Allerdings ging es in dieser ersten Phase lediglich um die Hilfe bei Standardanfragen; bei komplexeren Themen kamen wie bisher Schweizer UBS-Fachleute zum Einsatz.

Trotz dieser Einschränkung zeigt sich die UBS nur beschränkt zufrieden mit den bisherigen Resultaten. „Wie bei jedem Outsourcing üblich, braucht eine solche Verlagerung von Services eine Übergangsphase, um die gewünschten Qualitätsniveaus zu erreichen“, sagt Sprecher Andreas Kern. Es dauere, bis die externen Mitarbeiter mit den „spezifischen UBS-Anforderungen“ vertraut seien und das bereitgestellte „Know-how-Manual“ effizient einsetzen würden, begründet Kern.

Offenbar steckt aber ein grösserer Wurm im Ungarn-Projekt. „Im Rahmen der noch laufenden Übergangsphase haben wir Probleme identifiziert, die nach und nach behoben wurden und werden“, räumt der UBS-Sprecher grössere Schwierigkeiten ein.

Aus Mitarbeiterkreisen ist gar zu hören, die Bank würde sich eine Rückkehr zum alten System überlegen. Davon will UBS-Manager Kern nichts wissen. „Auch wenn in einzelnen Bereichen weiteres Verbesserungspotenzial besteht, zeigen die täglichen Erhebungen zur Servicequalität grundsätzlich positive Resultate.“

Freipass für Verarbeitung im Ausland

Unabhängig von der Momentaufnahme ist klar, dass der Trend zu mehr Outsourcing und Offshoring bei den global operierenden Grossbanken längst nicht zu Ende ist. Allerdings wachsen die Offshoring-Bäume auch nicht in den Himmel. Grenzen bei der Verlagerung von Backoffice-Aufgaben ins Ausland setzt das Schweizer Recht. „Auslagerungen von Informatikprozessen aus der Schweiz in ausländische Centers stossen rasch an regulatorische Grenzen“, begründet CS-Sprecher Dosch. Geschützte Daten müssten in der Schweiz bleiben, und auch Zahlungsverkehrsprozesse könnten nicht einfach verschoben werden.

Knackpunkt ist das Schweizer Bankgeheimnis. Im Grundsatz verlangt dieses, dass Kundendaten ausserhalb der Schweiz nicht einsehbar sind. Doch selbst diese Hürde ist nicht derart absolut, wie sie erscheint. Beide Grossbanken sind hinter der Kulisse seit langem daran, sich von den Kunden die Erlaubnis zu geben, freier mit deren geschützten Daten umzugehen.

Der Weg führt über sogenannte Waiver. Gemeint ist die implizite oder explizite Genehmigung der Klienten, Daten ausserhalb der engen Schweizer Grenzen verarbeiten zu dürfen. Vor ein paar Monaten bat die CS unter dem Titel „Data Sharing Notification“ um einen weitreichenden Freipass für die Datenverarbeitung. Als „global operierende Bank“ versuche man, die Kunden bestmöglich zu bedienen. Dazu könne es nötig werden, Daten innerhalb des weltweiten CS-Netzwerkes auszutauschen. Zum Zweck der reibungslosen Abwicklung könnten diese Informationen auch „Service-Providern ausserhalb der Schweiz“ bereitgestellt werden, damit diese ihre „vertraglich vereinbarten Aufgaben“ erfüllen könnten. „Ohne gegenteiligen Bericht gehen wir von Ihrem Einverständnis aus“, steht im CS-Schreiben.

Die UBS hatte schon vor Jahren mittels nachträglich verschickten Waivern versucht, zuvor erfolgte Datenverschiebungen ins Ausland von den Kunden im Nachhinein und rechtlich korrekt abzusegnen. Das ist umso wichtiger, als bei der Verarbeitung von Kundendaten Fehler auftreten können. Technologien zur Verschlüsselung von „scharfen“ Kundendaten sind nicht sicher. Es besteht die Gefahr, dass Unmengen von geschützten Kundendaten irgendwo auf der Welt unkontrolliert herumliegen.

Durch Offshoring und Outsourcing eingesparte Kosten könnten sich dereinst im Vergleich zu drohenden Imageschäden als unbedeutend herausstellen.


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