Geld und Geist

Notenstein Privatbank Raiffeisen streitet mit der Bank Vontobel um Details der Kooperation. Mit der neuen Tochter Notenstein braucht sie die Zürcher weniger als auch schon. Handelszeitung, 4. Oktober 2012

Der Schlaue gegen den Korrekten, so lautet die Affiche der spannungsgeladenen Partie. Sie hat das Zeug zum Krimi. Auf der einen Seite steht Pierin Vincenz, Chef der grossen Bankengruppe Raiffeisen. Er ist der smarte Bauchmensch, der sich gerne ins Rampenlicht drängt. Auf der anderen Seite steht Zeno Staub, Lenker der kleinen, aber feinen Zürcher Privatbank Vontobel. Er ist der zurückhaltende, kühle Kopftyp. Die Schweizer Finanzszene erlebt damit wieder einmal einen Kampf zweier Archetypen, so wie anno dazumal im Streit zwischen Martin Ebner und dem Appenzeller Nikolaus Senn, zwischen unorthodoxem Raider und honorigem UBS-Banker.

Kein Gang vor ein Gericht

Oberflächlich ist von einer Auseinandersetzung mit psychologischen Untertönen wenig zu spüren. Da geht es scheinbar ausschliesslich um trockene Materie. „Zankapfel Notenstein“ titelte die „NZZ am Sonntag“ kürzlich und führte aus, wie sich Vincenz und Staub über den Einbezug der Raiffeisen-Privatbankentochter Notenstein in eine bestehende Zusammenarbeit in die Haare gerieten.

Die beiden Institute streiten um einen Kooperationsvertrag aus dem Jahr 2004. Dieser soll auch für die Wegelin-Nachfolgebank Notenstein gelten, deklariert Vontobel-Staub auf der einen Seite. Nicht doch, kontert Raiffeisen-Vincenz. Letztes Wochenende schien die Lage endgültig ausser Kontrolle zu geraten. In der „SonntagsZeitung“ hiess es, dass sich die verfeindeten Lager schon bald vor einem Schiedsgericht prügeln würden.

So weit wird es nicht kommen. Denn Vincenz gibt scheinbar nach. „Wir wollen die Sache friedlich lösen“, sagt der Raiffeisen-Chef. „Deshalb schauen wir jetzt, wie wir ein Win-Win hinkriegen.“ Der Gang zum Richter liege in weiter Ferne. „Schiedsgerichte“, so Vincenz, seien „in allen unseren Kooperationsverträgen als letzte Instanz“ vorgesehen. Doch „noch nie“ sei die Ultima Ratio gewählt worden. „Dort sind wir im laufenden Fall noch lange nicht“, gibt sich Vincenz moderat. Vontobel will sich nicht zur Auseinandersetzung äussern. „Wir verzichten darauf, die andauernden Gespräche mit Raiffeisen zu kommentieren“, meinte ein Sprecher.

Ist demnach alles nur ein Sturm im Wasserglas? Mitnichten. Dem jungen Vontobel-Chef Staub ist es mit seiner harten Haltung todernst. Verträge sind da, um sie einzuhalten. Sein Vorteil ist, dass das Vertragswerk die Partnerschaft im Detail regelt. Bis auf die unterste Stufe mit einzelnen strukturierten Produkten hält die Abmachung fest, welche Leistungen und Produkte Raiffeisen exklusiv von Vontobel bezieht und was die Genossenschaftsgruppe ihrem Partner dafür zahlt. Auf Vontobel-Seite geht das nicht ohne teure Vorleistungen. Zur Einhaltung ihrer Verpflichtungen rüsteten die Zürcher ihre sonst schon teure Informatik auf. Darum sind sie nicht bereit, auf einen Teil des jährlichen Auftragsvolumens von Raiffeisen zu verzichten. Dieses schätzen Insider auf 50 Millionen Franken. Davon soll die Hälfte als Gewinn hängen bleiben.

2008 jubelte Vontobel, als die Zusammenarbeit vorzeitig bis 2017 verlängert wurde. Vincenz erhielt für seine Raiffeisen im Gegenzug gewisse Freiheiten, etwa bei den Produkten. So lancierte Raiffeisen Indexfonds, die von der Genfer Privatbank Pictet verwaltet werden.

Offensichtlich waren beide zufrieden mit dem Deal, sonst hätten sie die Kooperation nicht vorzeitig um zehn Jahre ausgeweitet. Unterlegt war diese durch eine 12,5-Prozent-Beteiligung von Raiffeisen an Vontobel im Wert von 250 Millionen Franken. Bestandteil der Transaktion war das Recht, die Zürcher Privatbank zu übernehmen, sobald die Vontobel-Familie verkaufen würde.

Alles schien harmonisch. Bis Vincenz Anfang Jahr die Wegelin-Nachfolgebank unter dem neuen Namen Notenstein Privatbank erwarb. Über Nacht wurde der 100-Prozent-Partner zum 50-Prozent-Gegenspieler. Vincenz‘ Notenstein und die Zürcher Vontobel haben beide als Kerngeschäft die Betreuung vermögender Kunden, darunter vor allem reiche Schweizer. Notenstein ist zudem eine voll ausgerüstete Bank. Während Raiffeisen froh war um die Leistungen von Vontobel im Handelsgeschäft und bei den Produkten, besitzt nun Notenstein diese Kapazitäten bis zu einem gewissen Grad selbst.

Vontobel betont bei jeder Gelegenheit, wie gut die Bank dank ihrer modernen und ausgebauten Informatik für die Zukunft gerüstet sei. Dass sie trotz 140 Milliarden verbuchter Kundenvermögen dringend Neugeld benötigt, damit ihre Hightech-Anlage endlich vertretbare Stückkosten erzielt, hängt Vontobel weniger gern an die grosse Glocke.

Mühe mit Restrukturierungen

Auf der anderen Seite manövrierte sich Vincenz mit dem Kauf von Notenstein in eine schwierige Lage. Die Privatbank hat 700 Angestellte, aber nur rund 20 Milliarden Kundenvermögen. Pro Kopf macht das weniger als 30 Millionen aus. Das ist wenig, um die teure und in die Jahre gekommene Informatik zu finanzieren. Unabhängig von der Frage, wie viel an Leistung Notenstein bei Vontobel bezieht, muss Vincenz seine neue Tochter fit trimmen. Restrukturierungen sind aber nicht Vincenz‘ liebste Arbeit. Dem Showtalent sagen eher die grossen, nach vorne gerichteten Würfe zu. Als Fazit bleibt, dass beide Partner genug Probleme haben. Einen Bruch der Kooperation können sie sich nicht leisten. Vincenz scheint bereits zu dieser Erkenntnis gelangt zu sein. „In solchen Fragen braucht es immer ein Geben und Nehmen“, sagt er. Und schliesst: „Am Ende einigen wir uns, da bin ich mir sicher.“

Hinter der Charmeoffensive dürfte aber auch cleveres Kalkül stecken. Als Adressat hat Vincenz vermutlich nicht den unerbittlichen und scharf kalkulierenden Verhandlungspartner Staub im Auge, sondern seinen früheren Counterpart Herbert Scheidt. Der Deutsche war bis vor einem Jahr Konzernchef von Vontobel und trägt heute als Verwaltungsratspräsident die letzte Verantwortung. Schliesslich gibt es ja auch mal noch Grösseres zu verhandeln.


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