Geheime Ratgeber

Steuerstreit Anwälte der Kanzlei Homburger spielten eine entscheidende Rolle bei den Verhandlungen mit den USA . Das zeigen Dokumente. Handelszeitung. 18. Oktober 12

Flavio Romerio ist ein gefragter Mann. Seit anderthalb Jahren berät der Partner der Anwaltskanzlei Homburger in Zürich mehrere Banken im gefährlichen Konflikt um die Beihilfe zu Steuerhinterziehung – darunter Julius Bär und die beiden Kantonalbanken von Zürich und Basel-Stadt.

Romerios Rolle geht weit über jene eines ausführenden Koordinators hinaus. Er ist der eigentliche Meinungsmacher der Schweizer im Steuerkrieg mit Amerika. „Romerio und seine Kollegen von Homburger sind die Väter der Kompromissstrategie der Schweiz in den Verhandlungen mit den amerikanischen Behörden“, sagt ein Manager einer der involvierten Banken. Entsprechend werde die Arbeit Romerios und seiner Homburger-Partner entscheidend dafür sein, ob der Finanzplatz einigermassen heil aus dem gefährlichen Streit herauskomme oder nicht. Bei einem Erfolg würden sie glänzen – eine Niederlage fiele auch auf sie zurück.

Neben Romerio soll sich auch René Bösch, Senior-Partner von Homburger, für ein weitreichendes Entgegenkommen der Schweiz in der Steuerauseinandersetzung mit Washington stark gemacht haben. Mit Bösch und Romerio kümmern sich gleich zwei Partner der derzeit meist beschäftigten und einflussreichsten Wirtschaftskanzlei um das wichtige Dossier. Eine zweite Person aus dem Umfeld jener Banken, die wegen ihrer Praxis mit US-Schwarzgeld ins Visier der Amerikaner geraten waren, zeichnet die Homburger-Anwälte als massgebliche Einflüsterer Berns. Romerio und Bösch sollen mehrere Male Teil der offiziellen Schweizer Delegation gewesen sein, die mit den Amerikanern in Bern und Übersee verhandelt habe.

„Homburger gibt Empfehlungen“

Die Geldinstitute, die Homburger mit der Lösung des Steuerstreits beauftragten, äussern sich nur zurückhaltend. Ja, die Kanzlei vertrete sein Institut, bestätigt Urs Ackermann, Sprecher der Zürcher Kantonalbank (ZKB). „Die Strategie wird zusammen mit den Spezialisten des bankeigenen Rechtsdienstes und der Geschäftsleitung festgelegt. Homburger gibt Empfehlungen ab.“ Das letzte Wort habe aber immer der Bankrat als oberstes Gremium der Staatsbank. Die Privatbank Julius Bär, die sich laut mehreren Quellen ebenfalls von Homburger vertreten lassen soll, will sich nicht zu ihrem Verhältnis zu der Zürcher Kanzlei äussern.

Laut einem Insider würden die Aufwände der renommierten Kanzlei ausschliesslich von den Banken getragen, welche das Mandat erteilt hätten. Romerio komme die Rolle eines Verbindungsmanns zwischen dem zuständigen Staatssekretariat für internationale Finanzfragen (SIF) und den Banken zu. „Er war praktisch von Anfang im Frühsommer 2011 an als externer Berater mit dabei, er beriet den Bund und agierte später zusätzlich als Postbote für die Banken“, sagt der Insider. Der Homburger-Mann rückte diesen Frühling kurz ins Rampenlicht, als seine Frau, Isabelle Romy, in den Verwaltungsrat der UBS wechselte. Darauf verliess sie die Kanzlei Niederer Kraft & Frey wegen drohenden Interessenkonflikten.

Dass er die Kompromissstrategie des Bundes gegenüber den USA stark mitbestimmt habe, davon will Romerio auf Anfrage nichts wissen. „Wir haben weder ein Mandat für den Bund noch einen Interessenkonflikt“, erklärte er vor einigen Wochen. Diese Haltung bekräftigte Romerio, als er auf die Existenz von zwei Dokumenten aus der Feder von Homburger hingewiesen wurde, die der „Handelszeitung“ vorliegen. „Ich kann Ihnen nur mitteilen, dass wir nicht für den Bund tätig sind und diese Dokumente auch nicht im Auftrag des Bunds erstellt haben.“

Bedrohte Banken

Bei den zwei Homburger-Papieren handelt es sich einerseits um einen Entwurf vom 17. September des letzten Jahres, anderseits um eine Aktennotiz vom 19. September 2011. Es war die Zeit, als die USA die Schweiz erstmals offen unter Druck setzten und Bern als Reaktion darauf die Weichen Richtung Appeasement stellte. Geholfen hat es freilich wenig. Die USA klagten zuerst die Wegelin Privatbank an, erhielten diesen Frühling 10000 Namen von Bankmitarbeitern und verschoben schliesslich eine definitive Lösung im Steuerkonflikt auf die Zeit nach den Präsidentschaftswahlen.

Die matchentscheidenden Wochen begannen Ende Sommer. Am 31. August 2011 antwortete die Nummer zwei des amerikanischen Justizministeriums, James Cole, Staatssekretär Michael Ambühl auf dessen Vorschlag eines kooperativen Vorgehens. Statt darauf einzugehen, stellte Cole ein Ultimatum. Er verlange die Herausgabe von Konto-Informationen, um den Abschluss „eines globalen Deals zu erleichtern und zu beschleunigen“, schrieb der ranghohe amerikanische Justizbeamte. Erst wenn die USA „eine spezifizierte Anzahl von Konten zu spezifischen Zeitpunkten“ erhalten hätten, könnten eingeleitete Zwangsmassnahmen rückgängig gemacht werden. Sonst befürchte er, dass kaum eine andere Wahl bleibe, als „andere Mittel anzuwenden, die uns zur Verfügung stehen“, so die unverhohlene Drohung Coles.

Zweieinhalb Wochen später erstellte Homburger den erwähnten Entwurf „Schweiz – USA Zusatzbericht vom 8.8.2011 betreffend das neue DBA-USA (DBA 2009)“. Gemeint war eine Ergänzung des angepeilten Doppelbesteuerungsabkommens (DBA) mit dem Ziel von Gruppenanfragen, was Kritiker als sogenannte Fischzüge betrachteten. Das Homburger-Papier wurde damit zum Argumentarium für die anstehende Parlamentsdebatte.

„Wenn der Zusatzbericht abgelehnt wird oder das Traktandum verschoben wird, kann die von Staatssekretär Ambühl vorangetriebene Lösung nicht umgesetzt werden“, heisst es im Papier. Dann aber würde „ein erhebliches Risiko“ bestehen, dass die amerikanischen Behörden Massnahmen gegen einzelne oder mehrere der zehn Banken einleiten würden. Das könnte den Banken „erhebliche finanzielle Einbussen zufügen oder gar ihre Existenz bedrohen“, schrieb Homburger. Vier Monate später drohten die USA der Bank Wegelin mit einer Strafklage.

Zwei Tage nach Erstellung des Entwurfs machte ein Kollege von Homburger-Partner Romerio eine Aktennotiz zu den „Voraussetzungen für Gruppenanfragen“ gemäss dem oben erwähnten Zusatzbericht. Es handelte sich um die Leitplanken zur angestrebten friedlichen Beilegung des Konflikts mit den Amerikanern. Eine von vier Voraussetzungen für Gruppenanfragen sei, dass die USA „ein aktives schuldhaftes Verhalten des Informationsinhabers oder seines Mitarbeiters glaubhaft machen“ könnten. Mit der Herausgabe Tausender Mitarbeiternamen wird das den USA vermutlich leicht fallen.

Eine Argumentationsplattform

Ist das die Quintessenz der Offenlegungsstrategie, die nun wieder im Parlament diskutiert wird? Romerio sagt dazu mittlerweile, dass die Dokumente „offensichtlich als Argumentationsplattform für die damals zur Diskussion stehenden Fragen erstellt“ worden seien. Gleichzeitig dementierte der Staranwalt jegliches Auftragsverhältnis zum Bund und seinen Unterhändlern. „Wenn Sie die Strategie von Herrn Ambühl ansprechen, so kann ich nur erneut wiederholen, dass die Verhandlungsstrategie des Bundes nicht von Homburger entwickelt wurde.“


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