Chatsystem kann für UBS zum Verhängnis werden

Adoboli wurde von seinen Chefs mehrfach verschont. Der Sonntag, 23. September 2012

Die hoch bezahlten Stars der UBS-Investmentbank haben ihr eigenes Chatsystem. Es heisst MindAlign und wird von den Masters of the Universe der Schweizer Grossbank rege genutzt, wie Quellen im Gespräch bestätigen. Die Folge ist, dass wichtige Konversationen abgespeichert sind. Ausgerechnet MindAlign könnte für die UBS zum Bumerang werden. Offensichtlich halten die Anwälte des angeklagten Ex-UBS-Traders Kweku Adoboli MindAlign-Protokolle in der Hand. Erste Auszüge legten sie diese Woche den zwölf Geschworenen im Londoner Strafprozess vor.

Bereits diese ersten Belege erschüttern die UBS-These des 32-jährigen Adoboli als Alleinschuldigen. Denn die Mind Align-Chats zwischen Adoboli und dessen Chefs zeigen, dass Letztere Verstösse des Traders durchwinkten.

Am Abend des 14. April 2011, 5 Monate bevor Adoboli aufflog und die Bank 2,3 Milliarden Dollar verlor, informierte der Händler seinen Vorgesetzten über offene Positionen von insgesamt 40 Millionen Dollar. Erlaubt waren 25 Millionen. Ronald Greenidge, damals der Vorgesetzte von Adoboli, liess die Überschreitung um 60 Prozent zu. Hinter dieser Obergrenze steckte wohl ein Gesamteinsatz in schwindelerregender Höhe.

Der Ghanaer hatte bei der UBS unter anderem auf die Veränderung von Kursspannen bei Aktien gesetzt. Laut Börsenspezialisten handelt es sich beim «Spread betting» um Trading mit Turbolader. Veränderungen von 1 bis 2 Prozent innerhalb eines Tages seien möglich. «Solche Positionen sollten jeden Abend zwingend zu sein», sagt ein Schweizer Banker.

Eine simple Rechnung zeigt, welche Summen hinter den offenen Positionen stehen konnten. Wenn Adobolis 40 Millionen dem Maximalrisiko 2 Prozent Kursschwankungen entsprachen, dann belief sich die Gesamtposition des Händlers bereits damals auf rund 2 Milliarden. «Pass auf», meinte Adobolis Chef Greenidge einmal, «du bist verrückt, ein andermal». Am Ende gratulierte er aber seinem Händler, der vermeintlich grosse Gewinne erzielte.

Im April, als Adoboli die Risiko-Obergrenze massiv verletzt hatte, übernahm mit John DiBacco ein neuer Chef die Leitung des Handels mit Exchange Traded Funds (ETF), wo Adoboli aktiv war.

Im Gerichtssaal sagte DiBacco, dass er sofort die ETF-Risikolimiten für den Handel unter dem Tag auf maximal 100 Millionen Dollar erhöht habe. Auf Verstösse reagierte DiBacco milde. Per E-Mail liess Adoboli DiBacco im Juni 2011 wissen, dass er zwar mit 200 Millionen Dollar im Risiko sei, dafür einen Gewinn von 6 Millionen erzielt habe. «Gut gemacht», meinte DiBacco in einer ersten Reaktion. In einem späteren E-Mail rüffelte dann DiBacco Adoboli leicht. «Ich muss das im Voraus wissen, nicht danach.» Dabei blieb es.

Drei Monate später krachte Adobolis Kartenhaus zusammen. Seine gesamte Wettposition war auf fast 9 Milliarden Dollar angewachsen. Je nach Auflösung der Positionen hätte der Gesamtverlust im schlimmsten Fall weit höher als die erlittenen 2,3 Milliarden Dollar ausfallen können. Adoboli war intern kein unbeschriebenes Blatt.

Das wirft ein schlechtes Licht auf den Entscheid der UBS, ihrem Juniortrader eine Position mit grossen Risiken anzuvertrauen. 2010 wurde Adoboli von Kontrolleuren ermahnt, weil er über ein privates Konto Spread betting betrieben hatte, ohne dies der Bank zu melden. Auch der nicht gemeldete Privathandel mit Aktien wurde gerügt. Welche Risiken Adoboli privat einging, zeigen die Verluste, die er mit seinen Wetten auf Aktien-Kursspannen in den zwölf Monaten vor seinem Auffliegen im September 2011 erlitten hatte. Es waren 123 000 Pfund.

Die Ermahnungen hatten keine schweren Konsequenzen, im Gegenteil. Von 2008 bis 2010 stieg Adobolis Salär von 65 000 Pfund auf 360 000 Pfund, gleichzeitig vervielfachte sich sein Bonus auf 250 000 Pfund im Jahr 2010. Bereits als damals 30-jähriger Trader strich Adoboli im Jahr über 600 000 Pfund ein.

Schliesslich waren es nicht seine Chefs im Handel, die Verdacht schöpften, sondern ein Mann in der UBS-Buchhaltung. William Steward hegte im Sommer 2011 Zweifel an Adobolis fiktiven Gegenpositionen zwecks Absicherung der riesigen Positionen.

Die zweite von acht Prozesswochen geht nun an Adobolis Verteidiger. Deren Ziel: Die UBS als eine Art Gamblerbank erscheinen zu lassen mit einer Kultur, in der Spieler und nicht Bremser Karriere machen. Adoboli hätte lediglich getan, was das System von ihm verlange.


Einen Kommentar schreiben