Banker empfehlen Offenlegung

Weil die Schweizer Abgeltungssätze viel zu hoch sind, bleibt Deklarierung von Schwarzgeld die einzig vernünftige Lösung. Der Sonntag, 15. April 2012

Finanzministerin Eveline Widmer-Schlumpf erzielte am Freitag ihren dritten Erfolg. Nach England und Deutschland unterzeichnete auch Nachbar Österreich die offerierte Steuerabgeltung. Während sich die Bundesrätin im Scheinwerferlicht sonnt, brechen auf dem Zürcher Finanzplatz die Dämme.

«Meinen deutschen Altgeld-Kunden kann ich nur zur Offenlegung raten», sagt ein Vermögensverwalter. Eine Selbstanzeige komme viel günstiger als die Abgeltung. Mit Deutschland sieht das Abkommen 21 bis 41 Prozent Abgeltung vor, in England und Österreich kommt die Schwarzgeld-Bereinigung die Steuersünder nur leicht günstiger. Der Chef einer grossen Zürcher Vermögensverwaltung doppelt nach: «Richtig geplant und vorbereitet, ist das Coming-out in Sachen Steuer-Compliance kaum teurer als ein schlechtes Börsenjahr.»

Steueranwalt Andreas Kolb bestätigt die Meldungen von der Front. «Die grosse Mehrheit von Bankkunden dürfte mit einer Offenlegung deutlich besser fahren als mit einer Abgeltung. In zahlreichen Fällen dürfte die Belastung im einstelligen Prozentbereich bleiben.»

Dramatische Folgen könne die auf deutschen Druck hinzugekommene Erbschafts-Abgeltung haben. «Die 50 Prozent auf Erbschaften machen die Schweizer Abgeltung für deutsche Kunden zu einer sehr teuren Lösung», glaubt Kolb. Die Erben dürften beim Tod des Kontoinhabers deshalb in vielen Fällen «auf die Anonymität verzichten».

Die Vermögenshalbierung bei der Abgeltung konkurrenziert mit der Offenlegung. In Deutschland kommt diese die Erben dank Freibeträgen und maximal 19 Prozent Abzug deutlich billiger zu stehen. Der Zürcher Steuerexperte sieht «in der Regel keinen vernünftigen Grund», die «Anonymität beizubehalten». Mit der Erbschaftssteuer sei «eines der Kernelemente des Steuerabkommens, die Wahrung der Anonymität, de facto teilweise herausgekippt» worden.

Auch für den Verband Schweizerischer Vermögensverwalter (VSV) spricht immer mehr gegen die Abgeltung. «Anhand zahlreicher Modellfälle haben wir ermittelt, dass in den allermeisten Fällen eine strafbefreiende Selbstanzeige der wesentlich günstigere Weg ist als die Abführung der einmaligen Abgeltung nach Massgabe des Staatsvertrages», sagt Alexander Rabian, Anwalt bei der Zürcher Kanzlei Streichenberg und im VSV zuständig für das Steuerdossier.

Laut dem Experten sei oft mit Nachzahlungen von lediglich 8 bis 15 Prozent zu rechnen. «Nur sehr wenige Modellfälle ergeben, dass die im Staatsvertrag vorgesehene Mindesthöhe der Einmalzahlung überhaupt erreicht wird.»

Eine Offenlegung sei nicht per se attraktiver als die Abgeltung, widerspricht Thomas Sutter von der Finanz-Lobbyistin Bankiervereinigung. «Zudem geht es nicht nur um Geld, sondern auch um den Schutz der Privatsphäre», meint Sutter. In die gleiche Kerbe haute gestern CVP-Ständerat Pirmin Bischof im Schweizer Radio. Das Bankgeheimnis sei ein «Schutz der Privatsphäre der Bürger», und zwar nicht nur in der Schweiz, sondern in allen Ländern. «Der gläserne Bürger widerstrebt uns.»

Laut einem Zürcher Vermögensverwalter geraten die Banken in ein Dilemma. «Wenn die Offenlegung derart günstiger kommt als die Abgeltung, müssen die Banken befürchten, zuletzt auf den versprochenen 2 Milliarden Mindestabgeltung sitzen zu bleiben.» Wie neutral würden die Banken ihre Ausland-Kunden unter diesen Umständen noch beraten?, fragt sich die Quelle. Das sei kein Thema, kontert Sutter von der Bankiervereinigung. «Die 2 Milliarden sollten auch mit den neuen Sätzen zustande kommen.»


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