Auslieferung von US-Bankdaten steht kurz bevor

Es fehlt noch Zustimmung des Nationalrates. SonntagsZeitung, 26. Februar 2012

Finanzministerin Eveline Widmer-Schlumpf dürfte am Mittwoch vom Nationalrat grünes Licht erhalten: Sagt auch die grosse Kammer Ja zur Offenlegung von US-Steuersündern, ohne dass die Behörden in Washington deren Namen kennen, können Widmer-Schlumpfs Unterhändler das US-Ultimatum erfüllen und Tausende von amerikanischen Schwarzgeld-Kunden abliefern.

Für geltende globale Amtshilfe-Standards ist das Entgegenkommen einzigartig. Zudem gilt die Offenlegung ohne Namensnennung nur für die Schweiz. Die USAmüssen nicht Gegenrecht halten.

Was bekommt die Schweiz für ihr Angebot? Derzeit nichts, gibt das Finanzdepartement zu. Ein Versprechen, nach dem Angriff gegen Wegelin keine weiteren Banken anzuklagen, gibt es nicht.

Für das Finanz-Staatssekretariat ist die Massen-Offenlegung trotzdem gut. «Die Gruppenanfragen treten erst in Kraft, wenn sie der Bundesrat aktiviert», begründet Sprecher Mario Tuor.

Gruppenanfragen als Pfand, um mit den USA den angestrebten Globaldeal abzuschliessen – das ist offenbar das Kalkül Berns im Konflikt mit Amerika. Für den St. Galler Staatsrechtler Rainer Schweizer eine Hochrisiko-Strategie. Die Regierung kaufe im Unterschied zum UBS-Deal vor 3 Jahren die Katze im Sack. «Damals hat der Spezialstaatsvertrag den betroffenen Kunden, der Steuerverwaltung und den Gerichten eine gewisse Orientierung gegeben, und die UBS konnte auf ein Ende der Prozesse hoffen», sagt der Professor. «Jetzt hingegen ist völlig offen, was die USA als Entgegenkommen leisten werden.»

Für den Schweizer, der den US-Steuerstreit als Gutachter für betroffene US-Kunden gut kennt, geht es um mehr als einen Deal und danach Schwamm drüber. Die Schweiz als souveräner Rechtsstaat sei herausgefordert.

Der Bundesrat habe geltendes Recht längst verletzt, weil die Regierung immer wieder Daten geliefert habe, mit denen trotz abgedeckten Namen geschützte Daten offengelegt worden seien. Diese «Gesetzesverletzungen» wolle das Parlament nun mit Gruppenanfragen «nachträglich legitimieren», sagt Schweizer. «Für einen Rechtsstaat ist ein solches Vorgehen verheerend.» Der Bundesrat hat sich die missliche Lage selbst zuzuschreiben. Die USA hatten Bern frühzeitig über ihre Absichten in Kenntnis gesetzt. Trotzdem legte die Regierung die Hände in den Schoss. Am 31. 8. 2011 führte James Cole, Nummer zwei des US-Justizdepartements, in einem Schreiben an Widmer-Schlumpfs Unterhändler Michael Ambühl detailliert aus, wie die USA vorgehen würden, je nach Verhalten der Schweiz.

Die Geschichte wiederholte sich wie bei der UBS 2009

Man sei bereit, den guten Willen Berns zu testen und «rasch Amtshilfe für Bankdaten von vergangenen und aktuellen US-Steuerzahlern» auf dem ordentlichen Weg viaSchweizer Regierung anzufordern. Parallel dazu würden Zwangsmassnahmen gegen jene Banken initiiert, gegen die man bereits am Ermitteln sei. Damals war von 10 Banken die Rede, später kam die ZKB dazu.

«Wenn wir auf diesem Weg die benötigten Daten für eine spezifische Anzahl von Konten zu spezifischen Zeitpunkten erhalten, werden wir die Zwangsmassnahmen ruhen lassen», stellte Cole in Aussicht. Dann die Drohung: «Wenn wir die benötigten physischen Daten innerhalb dieser Zeiträume nicht erhalten, werden wir die ‹Subpoena› und allfällige ‹Summons› auslösen, und wir werden mit Strafverfolgungen fortfahren, wie sie uns angezeigt erscheinen», hielt Cole fest.

Die Schweiz legte offen, was sie konnte. Nicht aber konkrete Kundennamen, die vom Bankgeheimnis geschützt sind. Zu wenig, zu langsam, fanden die USA, und drohten Anfang 2012, Wegelin anzuklagen, wenn diese nicht sofort Kundendaten offenlegen würde. Die Geschichte wiederholte sich. Nur dass Bern Wegelin im Unterschied zur UBS 2009 fallen liess.

Eine Woche nach dem Wegelin-Coup sassen Cole und Ambühl in Washington am Tisch. «Botschaft verstanden?», war Coles implizite Frage. Mit den einseitigen Gruppenanfragen vom Mittwoch liefert Bern die Antwort.


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