Angst vor dem Nachbarn

Die VP Bank macht der Konkurrentin Liechtensteinische Landesbank Avancen. Denn es fürchtet eine Schweizer Invasion. Handelszeitung, 26. Januar 2012

Wenn Hans Brunhart aus seinem Büro tritt, erblickt er seine neue Liebe. Keine drei Minuten dauert der Fussmarsch von seinem Büro zur Konzernzentrale der Liechtensteinischen Landesbank, vorbei an Kunsthaus und Hauptpost von Vaduz. Den Weg legt der Präsident der VP Bank bis zum Frühling noch öfter zurück. Denn die kleinste Traditionsbank im Fürstentum geht mit dem Staatsinstitut auf Tuchfühlung.

Vorerst geht es in den Gesprächen zwischen den beiden Lokalrivalen nur um Kosteneinsparungen. DieVP Bank mietet sich im Rechenzentrum der Liechtensteinischen Landesbank ein. Für Druck und Versand der Abertausenden von Kontound Depotauszügen kann sie sich so die eigene Druckerei mit angehängter Versandlogistik sparen. Ein nächster Schritt wäre eine Zusammenlegung der Informatik. „Alle drei grossen Liechtensteiner Banken setzen auf Avaloq-Software, wodurch sich naturgemäss verschiedene Synergiepotenziale bieten“, sinniert Brunhart. Wunschpartnerin ist auch hier die staatseigene Landesbank.

Doch auch wenn der 66-jährige Brunhart seinen Präsidentenstuhl im Frühling altershalber räumt, denkt er weiter in die Zukunft. Denn die beiden Institute könnten mit einer Fusion zum Platzhirsch LGT aufschliessen. Bei den verwalteten Kundenvermögen steht die Landesbank bei 49 Milliarden Franken, dieVP Bank kommt auf 39 Milliarden. Damit wären sie exakt so gross wie die fürstliche LGT mit ihren 88 Milliarden. Auch beim Personalbestand wären die vereinigten VP und Landesbank dann gleich gross wie die heutige klare Nummer eins.

Bemerkenswerter Wechsel

Brunhart steht seit 15 Jahren an der Spitze der VP Bank, die mehrheitlich von einer Stiftung und der Unternehmerfamilie Hilti kontrolliert wird. „Was wir mit der Landesbank machen, ist eine Partnerschaft, über deren Vertiefung die Verantwortlichen nach mir zu entscheiden haben“, sagt der Mann, der von 1978 bis 1993 Regierungschef des Fürstentums war. Im Frühling folgt ihm Finanzchef Fredy Vogt nach. Auch er ein waschechter Liechtensteiner, mit Mandaten, die über die Finanzbranche hinausreichen. So leitet der 53-Jährige nebenbei die Pensionskasse der liechtensteinischen Treuhänder und ist Präsident der AHV des Fürstentums.

Der Wechsel ist bemerkenswert. Denn in seiner neuen Funktion wird Vogt seinen heutigen Vorgesetzten, Konzernchef Roger Hartmann, beaufsichtigen und strategisch führen. Der Romand ist ein Jahr älter als Vogt und machte seine Karriere in den Reihen der UBS, bei der er zuletzt das für den liechtensteinischen Finanzplatz wichtige Fondsgeschäft in Luxemburg kennenlernte. Nach einem Abstecher zur Revisionsgesellschaft Ernst &Young wurde Hartmann im Frühling 2010 operativer Leiter der VP Bank. Noch-Präsident Brunhart überzeugt das zukünftige Tandem. „Gut wird es dann, wenn die zwei harmonieren. Und das tun sie.“ Das ist auch nötig. Der Konzerngewinn sank im 2011 auf 6,4 Millionen, ein Rückgang um 63 Prozent. Immerhin scheint die Trendwende beim Neugeldzufluss gelungen zu sein.

Unruhige Zeiten

Die Avancen der VP Bank treffen die Landesbank in unruhigen Zeiten. Das Institut, das mehrheitlich dem Fürstentum gehört, machte vor zwei Wochen Schlagzeilen. Es vermeldete den Abgang von Konzernchef Josef Fehr. Der Schritt erfolge „aus persönlichen Gründen und auf eigenen Wunsch“. Der Führungswechsel wirft Fragen auf. Immerhin war Fehr 26 Jahre lang bei der Landesbank, da wäre eine ordentliche Stabübergabe zu erwarten gewesen.

Danach sieht es nicht aus. Fehrs Nachfolger ist der 41-jährige Roland Matt, der erst seit drei Jahren bei der Landesbank tätig ist und zuvor ad interim das internationale Geschäft leitete. Was Fehr zur Aufgabe getrieben hat, ist offen. Klar ist, dass die Landesbank an diversen Fronten unter Druck steht. So wird ihre Schweizer Filiale zusammen mit zehn weiteren helvetischen Banken von den US-Strafbehörden bedrängt. Sie werfen den Finanzhäusern vor, vermögenden Bürgern systematisch beim Hinterziehen von Steuern geholfen zu haben.

Auch sonst ist das Staatsinstitut in einer ungemütlichen Lage. Das Verhältnis zwischen Kosten und Erträgen verschlechterte sich zuletzt von 68 auf 82 Prozent. Die kleinere VP Bank erreicht 70 Prozent, allerdings lässt auch bei ihr die Entwicklung aufhorchen. Noch im Vorjahr lag die Kennziffer, die Auskunft über die Effizienz eines Instituts gibt, bei 59 Prozent. Das Kostenproblem zwinge alle drei grossen Liechtensteiner Geldhäuser dazu, grundsätzlich über die Bücher zu gehen, sagt Brunhart. „Entweder wir holen Partner in der Schweiz oder wir lösen das Problem unter uns“, skizziert er die Optionen. Und macht klar, welcher er den Vorzug gibt: „Nur das Zweite stärkt den Standort.“ Sonst würden Geschäfte, Leute und Know-how abfliessen.

Steht es denn so schlecht um den Finanzplatz, dass es ohne Fusionen keine Zukunft gibt? Überhaupt nicht, meint Brunhart und redet sich in Fahrt. Man habe einen grossen Vorteil gegenüber der Schweiz. Der Finanzplatz Liechtenstein sei „weiter, als viele in der Schweiz denken“. Er führt drei Gründe an. „Erstens berücksichtigen wir die Steuerkonformität, zweitens bewegen wir uns dank dem EWR frei in der Europäischen Union und drittens operieren wir in einem attraktiven Finanzraum vom Bodensee bis Vaduz.“

Tatsächlich gab es im Ministaat mit knapp 40000 Einwohnern keine kräfteraubenden Abwehrschlachten, als die alte Bankgeheimnis-Welt nach der Finanzkrise von 2008 zusammenbrach. Das hängt auch mit der Gnade der frühen Kapitulation zusammen. Klaus Zumwinkel, der damalige Chef der Deutschen Post, wurde im Februar 2008 vor laufender Kamera in seiner Villa im Kölner Stadtteil Marienburg verhaftet. Er hatte ein unversteuertes Millionenvermögen in Liechtenstein parkiert. Bereits ein Jahr später präsentierte Liechtenstein eine Weissgeldstrategie. Zum Kernstück wurde das Abkommen mit Grossbritannien, das Kunden bis Ende 2014 zur Selbstdeklaration animieren soll. Wer dies ablehnt, dem wird gekündigt.


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