Steuerstreit mit den USA eskaliert

Bis übermorgen Dienstag wollen die Amerikaner wissen, wie viele Steuersünder die Credit Suisse versteckt hielt. SonntagsZeitung, 4. September 2011

Bern/Washington Die USA fordern unverzüglich detaillierte Informationen über das Ausmass der Steuerhinterziehung von US-Bürgern via Schweizer Banken. Stellt sich die Schweiz quer, drohen sie der Credit Suisse (CS) und neun weiteren Banken mit Strafklagen. Diese Eskalation rund um die Offenlegung von Kundennamen geht aus einem Briefwechsel hervor, welcher der SonntagsZeitung vorliegt. Unter anderem fordern die USA bis Dienstag detaillierte Zahlen zur Steuerhinterziehung bei der CS.

Das US-Ultimatum folgt auf ein Schreiben von Staatssekretär Michael Ambühl vom vergangenen Dienstag. Dieser schlägt einem Kadermann des US-Steueramts vor, an einem Meeting in Washington über einen «Top-down-Ansatz» zu verhandeln. Ambühl skizziert ein zweistufiges Vorgehen. «Im ersten Teil müssten die konzeptionellen Themen gelöst werden, im zweiten könnten (. . .) aggregierte und konsolidierte statistische Daten folgen.»

USA: «Signifikante» Anzahl von Konten – und zwar «schnell»

Ambühl verweist weiter auf einen Zusatzbericht des Bundesrats zum US-Steuerabkommen, der Gruppenanfragen ohne individuelle Namensnennung möglich machen soll. Mit dem «neuen Instrument» erhielten die USA Amtshilfe in «mehr Fällen als früher diskutiert», so Ambühl. Es brauche aber den «beidseitigen Willen und ein Einvernehmen über die Schlüsselpunkte». Sonst ziehe das Schweizer Parlament nicht mit.

Die USA antworteten postwendend und hart. Auf drei Seiten fordert Vizejustizminister James Cole eine sofortige und umfassende Offenlegung zur Art und zum Ausmass der Steuerhinterziehung. «Ohne diese Daten sehe ich nicht ein, wie wir konkreter vorankommen können», hält Cole im Brief vom 31. August fest. Das Vorgehen erinnert an den Fall UBS, als der Druck der USA ebenfalls von der Strafbehörde (DOJ) ausging und die Schweiz am Ende rund 5000 Namen von US-Kunden offenlegte.

Laut Vizeminister Cole fordern die USA die Daten einer «signifikanten» Anzahl von US-Konten, und zwar «schnell und mit Sicherheit». Dafür seien die USA bereit, den Schweizer Plan mit Gruppenanfragen zu «testen», allerdings nur unter den folgenden Bedingungen: Als Erstes wollen die USA umfassende «statistische Informationen». Gemäss Schweizer Verhandlungskreisen verlangen die USA von zehn Banken detaillierte Auskünfte über deren US-Kunden und Vermögen. Neben der CS sind auch Julius Bär, Wegelin sowie die Zürcher und Basler Kantonalbank betroffen. Dabei sind von 2002 bis Juli 2010 die Anzahl aller US-Privatkunden und -Stiftungen mit Anlagen von mindestens 50 000 Dollar offenzulegen. Zehntausende von Kunden können betroffen sein, viel mehr als die Schweiz mit Gruppenanfragen offenlegen könnte. Diese würden erst ab Herbst 2009 gelten.

Zweitens weigerte sich die Schweiz bisher, den USA das geforderte Mengengerüst auszuhändigen. Doch erst wenn sie es erhalten haben, sind die Amerikaner laut Cole bereit, auf den von der Schweizer Regierung vorgeschlagenen Amtshilfeweg einzuschwenken.

Als Sicherheit wollen die USA drittens gleichzeitig eine «Grand Jury Subpoena» und allenfalls «John Doe Summons» gegen betroffene Banken ausstellen. Gemeint sind gerichtliche Zwangsmassnahmen zur Offenlegung von Kundendaten. Die Schweiz müsse laut DOJ-Vize Cole alles unternehmen, um «die Herausgabe von Kontoinformationen und jegliche andere Form» eines globalen Deals zu erleichtern und zu beschleunigen. Sonst «befürchte ich, dass uns kaum eine andere Wahl bleibt, als andere Mittel anzuwenden, die uns zur Verfügung stehen», droht Cole. Fünftens würden mit den zehn Banken individuelle Deals ausgehandelt. Ein Versprechen, diese nicht einzuklagen, gebe es jedoch nicht.

Als Letztes fordern die Amerikaner ein Abkommen für alle übrigen Banken, das sicherstellt, dass «gewisse Kundeninformationen» offengelegt, hinterzogene Steuern beglichen und korrektes Verhalten sichergestellt sind.

Ein Sprecher von Finanz-Staatssekretär Michael Ambühl wollte keine Stellung nehmen. «Wir diskutieren Verhandlungen nicht öffentlich», sagte Mario Tuor. Die CS verwies auf den Bund.


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