Post-VR vor heiklem Entscheid

Der Verwaltungsrat wird möglicherweise am Dienstag einen neuen Konzernchef für die Post wählen. SonntagsZeitung, 30. Oktober 2011

Am kommenden Dienstag treffen sich die neun Verwaltungsräte der Post zu ihrer monatlichen Sitzung. Nach Informationen der SonntagsZeitung soll dann der Nachfolger von Konzernchef Jürg Bucher bestimmt werden. Seit Wochen wird über mögliche Kandidaten spekuliert. «Es ist höchste Zeit für einen Entscheid», sagt Fritz Gurtner, Post-Verantwortlicher bei der Gewerkschaft Syndicom.

In der Poleposition um den Chefsessel befindet sich ein Mitglied des Post-Verwaltungsrats. Zwei voneinander unabhängige Quellen bestätigen, dass Philippe Milliet die besten Chancen für den Sprung an die Konzernspitze hat. «Milliet ist einer von zwei Kandidaten in der Schlussrunde», sagt ein Insider. Alle übrigen seien inzwischen ausgeschieden. «Es wird dem Verwaltungsrat ein Zweierticket präsentiert werden. Dieses Vorgehen hat bei der Post Tradition», berichtet ein zweiter Gewährsmann.

Kronfavorit Milliet sitzt seit anderthalb Jahren im Post-VR. Der 48-Jährige ist Schweizer und würde als Romand die wichtige geografische Machtbalance gegenüber dem Deutschschweizer VR-Präsidenten Peter Hasler gewährleisten. Und vor allem: Milliet ist seit August 2010 auf Jobsuche. Damals schied der Pharmazeut beim Schweizer Pharma- und Apothekenkonzern Galenica überraschend aus der Konzernleitung aus. Noch früher war Milliet für die Beratungsfirma McKinsey tätig.

Milliets Konkurrent Dieter Bambauer ist Doppelbürger mit schweizerischem und deutschem Pass. Er steht als Konzernleitungsmitglied dem Bereich Logistik vor. Bambergers Sparte läuft gut, nicht zuletzt dank dem Boom des Online-Handels werden deutlich mehr Pakete verschickt. Das Betriebsergebnis von Post Logistics stieg von 45 Millionen Franken im Jahr 2009 auf 164 Millionen Franken im letzten Berichtsjahr. Das Handicap des 53-Jährigen ist aber, dass er erst seit zwei Jahren bei der Post arbeitet.

Wer das Rennen macht, entscheidet massgeblich die Empfehlung der dreiköpfigen Findungskommission unter Führung von Post-VR-Vize Dominique Freymond. «Wir haben versprochen, die CEO-Nachfolge bis Ende Jahr zu regeln», hält sich der Westschweizer bedeckt.

Falls der VR einen Mann aus den eigenen Reihen an die operative Spitze hievt, exponiert sich auch Post-Präsident Hasler. Durch die Wahl eines eigenen Vertreters könnte bei den 61 000 Post-Mitarbeitern der Eindruck entstehen, der Verwaltungsrat wolle sich in die operativen Belange einmischen. Hasler sowie ein Post-Sprecher wollten dazu keine Stellung nehmen.

Erinnerungen an den Fall Béglé werden wach

Ein VR, der plötzlich als CEO walten soll, ist bei der Post zudem besonders heikel. Haslers Vorgänger Claude Béglé war daran gescheitert, dass er sich zu sehr in operative Belange einmischen wollte. Der Westschweizer provozierte im Dezember 2009 den vorzeitigen Abgang vonPost-CEO Michel Kunz. Seither ist mit dem langjährigen Postfinance-Leiter Jürg Bucher ein Übergangs-Chef am Ruder.

Umso wichtiger ist nun die Wahl des neuen Mannes – Frauen schafften es trotz ausdrücklichem Wunsch des VR nicht in die Endrunde. Buchers Nachfolger wird das Strategieprojekt «Post 2020» umsetzen müssen. Darin haben sich die Verantwortlichen globale und schweizerische Szenarien überlegt und daraus Handlungsoptionen für die Post entwickelt. Eine davon: Die Briefpost werde abnehmen, der digitale Anteil an der Kommunikation dagegen zunehmen. Zentral wird gemässPost die Schnittstelle zwischen «physisch» und «digital» sein. Hier wittert der gelbe Riese neue Geschäftsfelder.

Auch eine sinnvolle internationale Strategie muss Buchers Nachfolger auf die Beine stellen. Nach einem jahrelangen Zickzackkurs im Ausland, bei dem die Post etwa in Deutschland Lehrgeld zahlte, wächst das Unternehmen jetzt zwar auch ausserhalb der Schweiz profitabel – aber noch deutlich zu langsam.


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