Herr der Risiken

Der Schweizer Hugo Bänziger verpasste bei der Deutschen Bank den Sprung an die Spitze. Jetzt liebäugelt er mit einem neuen Job. Handelszeitung, 6. Oktober 2011

Hugo Bänziger weiss, was er will. „Als junger Typ sagte er mir einmal: Wenn ich 30 bin, will ich Mitglied der Direktion der Credit Suisse sein „,erinnert sich Robert Vogler. Der ehemalige UBS-Historiker kennt ihn vom „Verein für Finanzgeschichte“. „Das war für damalige Verhältnisse ungehörig.“ Mit 55 hat Bänziger fast alles erreicht. Von der Credit Suisse wechselte er zur Deutschen Bank, wo er über London und Asien vor fünf Jahren als Konzernleitungsmitglied ganz oben angekommen ist. Trotz der eindrücklichen Karriere war der Finanzspezialist lange nur Eingeweihten bekannt. Erst mit den Wirren um die UBS-Führungsspitze wurde Bänziger auch in seiner Heimat zum Medienthema. Er sei der Geheimfavorit für den Posten des neuen Konzernchefs der UBS, spekulierten Schweizer und deutsche Zeitungen.

Schmerzhafte Niederlage

Am Montag nahm sich Bänziger selbst aus dem Rennen. Er stehe „voll zur Deutschen Bank und habe keine Absicht, diese zu verlassen“, sagte der Aargauer. Ein Sprecher der Deutschen Bank doppelte nach. „Hugo Bänziger steht zur Bank, wir wollen ihn behalten.“

Die Absage an eine Rückkehr in die Heimat muss nicht ewig gelten. „Bänziger ist bereit für den nächsten Karriereschritt“, sagt jedenfalls ein Berater, der hinter den Kulissen für den Spitzenmann weibelt. Bänziger würde ein Angebot zur Führung einer Schweizer Grossbank durchaus annehmen. Den gelernten Historiker hält nach dem hitzigen Kampf um die Nachfolge von Deutsche-Bank-Chef und Landsmann Josef Ackermann nicht mehr viel in Deutschland. Der Verwaltungsrat entschied sich im Sommer für eine Doppelspitze aus Investmentbanker Anshu Jain und Deutschland-Chef Jürgen Fitschen. „Die Niederlage hat ihn getroffen“, sagt ein Bänziger-Vertrauter.

Doch wie stehen überhaupt seine Chancen für einen Sprung an die Spitze einer Schweizer Grossbank? Gewisse Kreise glauben, dass Bänziger trotz Dementi doch zum Konkurrenten von UBS-Interims-Chef Sergio Ermotti werden könnte-besonders seit der Tessiner wegen seines Panama-Engagements angezählt ist. „Blödsinn“, meint eine Bänziger nahestehende Quelle. „Er und Axel Weber sind keine Freunde“, die beiden seien sich sogar spinnefeind.

Weber und Bänziger pflegten in der Finanzkrise von 2008 in der Tat einen regen Austausch. Während Weber als Bundesbanker daran interessiert war, das System zu stabilisieren, hatte Bänziger als Risikochef der grössten deutschen Geschäftsbank das Wohl des eigenen Instituts im Auge. Dabei könnten sich die beiden in die Haare geraten sein. Bänzigers Chef Ackermann schreckte Politik und Bundesbank damals jedenfalls mit der Aussage auf: „Ich würde mich schämen, wenn wir in der Krise Staatsgeld annehmen würden.“ Eben hatten Regierung und Bundesbank Banken gestützt. Eine zweite Quelle sagt, Bänziger habe sich bei der Deutschen Bank am stärksten gegen Weber als möglichen Nachfolger von Ackermann an der Spitze gewehrt. Da würde nun Weber seinen Feind kaum zur UBS holen wollen.

Weil der Weg zur UBS versperrt scheint, verbleibt theoretisch nur noch der Chefposten bei der Konkurrentin Credit Suisse. Brady Dougan ist seit bald fünf Jahren im Amt und kämpft an mehreren Fronten. Die CS-Aktie enttäuscht, die Investmentbank muss abspecken, die Vermögensverwaltung wird reorganisiert. Ob Bänziger Kandidat wird, müsste Präsident Urs Rohner entscheiden. Schnell dürfte das aber nicht gehen. In einem Interview mit der „Bilanz“ stärkte Rohner Dougan soeben den Rücken. Und aus internen CS-Kreisen ist zu vernehmen, dass Rohner Bänziger zwar schätze, aber nur als Risikomanager.

Doch wenn es in der Heimat nicht klappt, könnte es Bänziger im Ausland schaffen. Er zählt zu jenen Bankern, die vermehrt auf den Radarschirm von Verwaltungsräten grosser Banken rücken, wenn es um den Chef-Job geht. Seine Stärke ist dabei gleichzeitig seine Schwäche: Er gilt als zaudernder Frontkämpfer, aber hervorragender Risikomanager. Eine Fähigkeit, die derzeit besonders gefragt ist.

In seinem Fach geniesst Bänziger einen hervorragenden Ruf. „Er hat selbst zu einer Zeit, als die ganze Industrie die internen Risikomodelle vergötterte, immer auch nominelle Grenzen gesetzt“, sagt Bankenprofessor Maurice Pedergnana. Das habe die Deutsche Bank vor Schlimmerem bewahrt. ETH-Finanzprofessor Paul Embrechts doppelt nach. Ihn habe ein Auftritt Bänzigers vor Jahresfrist überzeugt. „Ich hatte das Gefühl, dass er ein gutes Verständnis für die Risiken in der Finanzindustrie hat. „Heinz Zimmermann ist besonders von Bänziger angetan. „Er wäre ein Glücksfall für die UBS, da er als Kredit-und Risikospezialist eine unverzerrte Haltung gegenüber dem Investment Banking hat“, sagt der Basler Finanzprofessor. Als Historiker sei Bänziger kein „reiner Geldmensch“, sondern sehe die Finanzprobleme „auch in grösseren Zusammenhängen“.

Vom Aargau in die Welt

Aufgewachsen im Aargau in einer Familie mit sozialdemokratischem Hintergrund, studierte Bänziger an der Universität Bern Geschichte. Seine erste Berufserfahrung holte er sich als Assistent von Hermann Bodenmann, damals Präsident der Bankenkommission und Vater von Ex-SP-Präsident Peter Bodenmann. „50 Jahre eidgenössische Bankenaufsicht“ war eine Festschrift, an der Historiker Bänziger mitarbeitete. In jener Zeit erklomm der Aargauer die militärische Karriereleiter. Als hoher Panzeroffizier schaffte er es bis in den Generalstab. Dort lernte er seinen späteren Förderer Ackermann kennen.

„Er war ein souveräner, überlegter Offizier“, sagt ein Zürcher Banker. „Das Gegenteil eines Rambo-Typs.“ Bänzigers Historiker-Kollege Robert Vogler sieht das Militär als wichtige Karriereschmiede. „Bänziger ist alte Schule“, sagt er. „Er steht vorne hin, spricht frei, gibt die Richtung vor, ganz wie er es als Offizier in der Schweizer Armee gelernt hatte.“

Mit 29 tauchte Bänziger in die Bankenwelt ein. Bei der Credit Suisse stieg er in der Zürcher Zentrale und in der Investmentbank in London auf. Mit ihren CS Financial Products versuchte die Bank, im komplexen Derivatgeschäft Fuss zu fassen. Bänziger war Teil der Truppe, zu der neben Grössen wie Ackermann und der spätere CS-Präsident Walter Kielholz auch Dougan, Ex-Risikochef Wilson Erving, dessen Nachfolger Thomas Guldimann und der verstorbene Investmentbankchef Paul Calello gehörten.

Bei der CS wurde Ackermann zu Bänzigers mächtigem Mentor. Als Ackermann Mitte der 1990er-Jahre gegen CS-Übervater Rainer Gut opponierte und die Bank Richtung Deutschland verliess, folgte ihm Bänziger. 1996 begann er im Risikomanagement der Deutschen Bank in London, wurde 2000 oberster Kreditchef, 2004 oberster Risikochef und 2006 Konzernleitungsmitglied.

Laut dem Schweizer Markenexperten Stefan Vogler, der Bänziger beim Jungunternehmerverein Plenum kennenlernte, blieb Bänziger mit der Heimat verbunden. „Für ein Treffen des harten Kerns kam er extra in die Schweiz, obwohl er schon damals eine wichtige Funktion hatte“, sagt Vogler. Bänziger sei „kein Blender, kein Gambler, sondern ein typischer Risikomanager“. In der Finanzkrise kam die Deutsche Bank nicht zuletzt wegen Bänziger glimpflich davon.

Neben all dem Lob gibt es auch Kritik. Bänziger sei „ein Backoffice-Mann“ geblieben, „immer weit weg vom Schuss“. Er habe nie harte Entscheide fällen müssen. Als Risikomanager könne er eine Bank wie die UBS strategisch nicht weiterbringen, sagt die Quelle, die Bänziger aus gemeinsamen Projekten kennt. „Bänziger ist ein Typ, der immer nur die Risiken sieht, nie aber die Chancen.“


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