Frage des Gewissens

Philanthropie Spenden und «gutes» Investieren liegen im Trend. Viele Banken bauen ihr Social Business aus – unterschätzen aber die Tücken. Handelszeitung, 16. Juni 2011

Letzte Woche übernahm ein Topshot der globalen Philanthropie das Steuer bei der UBS-eigenen Optimus-Stiftung. Phyllis Kurlander Costanza, eine Amerikanerin, hatte jahrelang die berühmt-berüchtigte Stiftung des Hedgefondsmanagers Christopher Hohn geführt.

Mit der Wahl der international renommierten Charity-Managerin reiht sich die UBS ein in eine ganze Reihe von Banken, die Ambitionen mit reichen Spendern anmelden: Liechtensteins Fürstenbank gründete die LGT Venture Philanthropy, mit der vermögende Kunden Gutes tun können. Der Schweizer Ableger der englischen RBS Coutts Bank setzt auf eine neue Leiterin ihres «International Family Business & Philanthropy». Die Credit Suisse hat soeben ein neuartiges Produkt emittiert, den Microfinance Local Currency Note. Bei diesem Bond wird das Währungsrisiko von den Kleinbetrieben in der unterentwickelten Welt auf die Investoren im reichen Norden übertragen.

«Wir haben in den letzten 10 Jahren einen Gezeitenwechsel rund um das Thema Philanthropie erlebt», sagt Etienne Eichen­berger von Wise, einer Genfer Charity-Beratung für Reiche. «Früher war Philanthropie selten öffentlich im Gespräch, obwohl viele Vermögende schon damals gross­zügig waren. Heute gilt Geben als absolut salonfähig unter den Top-Leuten der Gesellschaft.»

Verändert hat sich laut dem Spezialisten insbesondere der Zeitpunkt, zu dem sich heute Gutbetuchte sozial engagieren wollen. «‹Giving while living› wird immer häufiger zum Motto», sagt Eichenberger. «Gespendet wird schon während des Karriere-Höhenflugs und nicht erst nach der Pensionierung.»

An der Schwelle zum Lebensherbst sitzt der Spendenfranken allerdings immer noch am lockersten, beobachtet Rolf Bögli, Private-Banking-Chef Schweiz bei der Grossbank Credit Suisse. «60 Prozent unserer Schweizer Private-Banking-Kunden sind über 65», sagt er. Bei vielen dieser Kunden würden Spenden und soziales Engagement an Bedeutung gewinnen. «Das merken unsere Kundenberater vor allem dann, wenn es darum geht, Vermögen weiterzugeben oder zu vererben.»

Gegen die Unübersichtlichkeit

Für ihre spendierfreudige Kundschaft hat die CS drei Dach-Stiftungen eingerichtet. Diese treten unter eigenem Namen und mit honorigen Persönlichkeiten im Stiftungsrat auf und erwecken äusserlich den Eindruck, nichts mit der Grossbank zu tun zu haben. Das Sagen hat allerdings die Bank: Die Geschäftsführung liegt bei Da­niel Otth, einem Manager der CS. Dank den drei Stiftungen mit jeweils eigener «Profilierung» könne die CS den Kunden «spezifische Möglichkeiten» bieten, begründet Otth das Vorgehen. Das sei angesichts der «Unübersichtlichkeit bei Wohltätigkeitsprojekten» auch nötig.

Die wachsende Nachfrage nach dem «guten» Geldeinsatz stellt die auf Rendite und «fancy»-Investment-Produkte ausgerichteten Private Banker vor neue Herausforderungen. In der Vermögensverwaltung würden die Wünsche der reichen Kunden nach Spenden und sozialen Investments immer noch unterschätzt, vermutet der Genfer Charity-Spezialist Eichenberger. Entsprechend rät er den Banken und ihren Frontleuten, Kunden «proaktiv» auf Philanthropie anzusprechen. «Wir sind überzeugt, dass die Kundenberater offen für externe Angebote sein müssen und nicht nur die bankeigenen Produkte und Dienstleistungen anbieten sollten», sagt der Spezialist.

Über eine ausgebaute Charity- und Social-Investment-Plattform verfügt die zweite Schweizer Grossbank UBS. Bei ihr gibt es neben der auf die reine Wohltätigkeit konzentrierten Optimus-Stiftung mit Fokus Kinder in der armen Welt eine ganze Reihe von Anlagemöglichkeiten mit sozialem oder nachhaltigem Charakter. Die Palette reicht von speziellen «Sustainable & Responsible» Fonds mit Rendite-Teilverzicht bis zu massgeschneiderten Philanthropie-Lösungen für besonders Wohlhabende. Warum eine global tätige Vermögensverwalterin wie die grösste Schweizer Bank heute mit einem breiten Philanthropie-Angebot präsent sein muss, begründet der Leiter von Philanthropy & Values-Based Investing und oberste Chef der Optimus-Stiftung, Mario Marconi: «Philanthropie ist ein weites, noch wenig transparentes Feld, die meisten potenziellen Spender sind auf ­Hilfe im Dschungel der Möglichkeiten angewiesen. Da kommen wir ins Spiel.»

Ein Geschäft machen mit Social Banking – beisst sich das nicht? Marconi verweist auf den Erfolg von Microfinance, wo die reiche Erste Welt mit Hilfe von strukturierten Investments Kleinunternehmer in den ärmsten Weltgegenden unterstützt und erst noch eine Rendite erzielen kann. «Microfinance zeigt: Jemandem eine Starthilfe für sein Business zu verschaffen und gleichzeitig die Gewissheit eines sinnvollen Investments zu haben, das hat Zukunft», sagt Marconi. Solche Finanzierungen könnten eine «nachhaltige Alternative zur Geldspende» sein.

Soziales Investieren statt Spenden – das ist das Elixier von Responsability, einer Social-Investment-Firma mit 70 Mitarbeitern. Klaus Tischhauser ist ein Veteran der Social-Investment-Szene. Er war in einer frühen Phase bei SAM Sustainable Asset Management tätig, einer Schweizer Pionierin auf dem Gebiet nachhaltiger Investments. Ende der 1990er-Jahre tauschte der gross gewachsene, sportliche Tischhauser Anzug und Krawatte gegen Sporthosen und erkundete auf einer zweijährigen Velotour das ländliche Afrika. Nach seiner Rückkehr in die Schweiz war die Idee für Responsability geboren, die «einen möglichst signifikanten Beitrag zur Entwicklungsfinanzierung» leisten soll, und zwar durch eine enge Kooperation mit den Banken und ihren Kunden, wie Tischhauser vor ein paar Jahren in einem Gespräch mit der Entwicklungsorganisation Erklärung von Bern ausdrückte.

2003 ging Responsability an den Start, zusammen mit renommierten Aktionären wie der Privatbank Baumann, der CS, der Raiffeisen und weiteren. Sieben Jahre später zählt das Unternehmen mit gemanagten Vermögen von rund 900 Millionen Dollar zu den führenden Protagonisten im ­Social Investment.

Zentral ist die gute Vermarktung

Der elegant-cashual gekleidete Tischhauser macht im Gespräch deutlich, dass eine soziale Geschäftsidee nicht genügt, um erfolgreich Gelder von Investoren des entwickelten Nordens anzulocken. Dazu brauche es wie im «richtigen» Banking gute Vermarktung. Es sei sicher richtig, von Social Investing als einem Trend zu sprechen, sagt der Responsability-Chef. Als Konsumenten wüssten wir heute um die Bedeutung unseres Kaufverhaltens, «wohin sich die Welt entwickelt». Das Gleiche gelte inzwischen auch für immer mehr Investoren, die sich bewusst wären, dass ihr Tun und Lassen «einen Unterschied» ausmache.

Bei allem Hype rund um das Thema Social Investment bleibt Tischhauser skeptisch, was die Zukunft angeht. Viele Mitstreiter würden die potentiellen Schwierigkeiten unterschätzen. «Es braucht enormen Aufwand und viel Manpower, um Investitionen in Entwicklungsländern zu tätigen», sagt der Schweizer. «Das ist nicht zu vergleichen mit dem Herauspicken von börsenkotierten Unternehmen mit gutem Trackrecord am Bloomberg-Computerschirm.»

«Philanthropen, schaut eure Berater genau an!»

Wolfgang Wörnhard, Präsident Schweizerisches Kommitee für UNICEF, das Uno-Kinderhilfswerk.

Die Banken entdecken bei vielen Vermögenden den Wunsch nach Spenden. Wie beurteilen Sie den Vormarsch der Geldhäuser in Ihr Kerngeschäft?

Wolfgang Wörnhard: Dass immer mehr vermögende Menschen mit Grossspenden die Welt verbessern wollen, ist erfreulich. Sie verlangen von uns klassischen Hilfsorganisationen, die Wirkung unserer Leistungen noch besser und transparenter darzustellen. Nachteilig ist das Überangebot nach Grosskatastrophen. Beim Tsunami Ende 2004 standen sich in Indonesien 2000 Organisationen auf einer Fläche des Kantons Zürich auf den Füssen herum. Das ist für die lokalen Behörden kaum zu bewältigen.

Sind Stiftungen der Banken Konkurrenten oder Partner für die Hilfswerke?

Wörnhard: Sie sind keine Konkurrenz, solange wir sie als das betrachten, was sie sind, unsere Kunden. Bankstiftungen und andere Vehikel von Nicht-Hilfswerken, die vermögende Kunden beim Spenden betreuen, sind auf die Feldarbeit der Entwicklungsorganisation vor Ort angewiesen. Diesen entscheidenden Teil der Arbeit können sie nicht selbst erledigen. Hingegen sind die Banken gut, was Leistungsmessung und Kontrolle betrifft. Das zwingt uns, professioneller zu werden.

Das waren Sie bisher nicht?

Wörnhard: Wir alle können besser werden. Die wachsende Nachfrage von Seiten der Spender, die wissen wollen, was mit ihrem Geld passiert, zwingt zu mehr Effizienz und Transparenz. Effizienz, damit das Verhältnis zwischen Spendeaufkommen und Administrationskosten möglichst günstig ist, Transparenz, damit klar wird, dass unsere Arbeit einen Nutzen hat. Es bringt ja nichts, möglichst viele Hebammen in einer armen Weltgegend auszubilden, wenn nicht gleichzeitig aufgezeigt wird, dass die Kinder- und Müttersterblichkeit dank dieses Investments zurückgegangen ist. Zeigen, was man bewirkt, das ist zum entscheidenden Faktor geworden. Deshalb nehmen wir die grössten Spender an den Hilfsort mit.

Philanthropie als neuer Hype – wo liegen die Gefahren des Booms?

Wörnhard: Nicht so sehr bei Grossspenden, die durch eine Zusammenarbeit mit den wichtigsten staatlichen und privaten Hilfsorganisationen zielgerichtet eingesetzt werden können. Hingegen besteht ein gewisses Risiko bei den kleineren Stiftungen. Dort fehlt es oft an der nötigen Koordination mit den Profis draussen im Feld. Manches, was gut gemeint ist, versickert dann irgendwo in der weiten Welt des Südens.

Besser eine kleine Spende als gar keine.

Wörnhard: Es geht um das grosse Ziel. Wir unterstützen die ärmeren Gesellschaften auf ihrem langen und schwierigen Weg, aus eigener Kraft die Lebensbedingungen der Bevölkerung langfristig zu verbessern, insbesonders der ärmsten Teile der Bevölkerung. Kleine und oft verzettelte Spenden können selbst in der Summe selten viel am Gesamtzustand ändern, wenn sie nicht koordiniert werden. Kommt hinzu, dass sich die Kosten für die Projektbegleitung und das Reporting bei kleineren Stiftungen nicht rechnen. Das produziert enttäuschte Spender, die mit ihrem Geld eigentlich etwas Sinnvolles bewirken wollten.

Was folgt daraus für Bankkunden, die einen Teil ihres Vermögens für Gutes hergeben wollen?

Wörnhard: Praktisch alle wirklich vermögenden Kunden lassen sich beraten, wenn es um die Verwaltung ihrer Anlagen geht, sei es durch Anwälte, Treuhänder oder Vermögensberater. Aus dem zuvor Gesagten folgt für potenzielle Philanthropen der Aufruf: «Schaut eure Berater genau an!»

Kommentar

  1. Danke, das ist ein spannender Artikel, der die verschiedenen Facetten des Themas gut beleuchtet.

    cinfo hat gerade eine Studie zum Thema „Private Akteure in der Internationalen Zusammenarbeit“ in Auftrag gegeben um den Arbeitsmarkt in diesem Zusammenhang besser fassen zu können.


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