Ermotti tanzt auf dem Hochseil

Milliardenverlust der UBS im dritten Quartal erhöht den Druck der Investoren auf den neuen Chef. SonntagsZeitung, 2. Oktober 2011

Sergio Ermotti agiert nicht wie ein CEO auf Zeit. Mit seinen Auftritten macht der Nachfolger von Oswald Grübel seinen Führungsanspruch an der UBS-Spitze deutlich: «Die momentane Lage erfordert entschlossenes Handeln und Führungsstärke der ganzen Konzernleitung», schriebErmotti dem UBS-Personal selbstbewusst. Der Verwaltungsrat habe ihm die «volle Zuständigkeit und Verantwortung als Group CEO» übertragen. «Ich habe vor, meine Befugnisse vollumfänglich zu nutzen.»

Dem 51-Jährigen ist klar, dass die Grossbank eine starke Hand braucht. Nachdem Platzhirsch Grübel vergangene Woche das Handtuch geworfen hatte, ohne dass ein definitiver Nachfolger bestimmt wurde, brach bei der UBS eine Führungskrise aus.

Zudem droht für das dritte Quartal ein Milliardenverlust, der die Bank beim Kapitalaufbau weit zurückwirft – in der Neuauflage der Finanzkrise steht die Bank geschwächt da. Ermotti übernimmt das Steuer also in einer kritischen Phase.

Der bisher im Jahr 2011 erzielte Gewinn ist praktisch ausradiert

Nach dem Handelsverlust von 2 Milliarden Franken in London wird für das abgelaufene dritte Quartal ein operativer Verlust von 1 Milliarde erwartet. Hinzu kommen «bedeutende Restrukturierungskosten» für den angekündigten Job-Abbau. Ermotti wird ein weiteres Abbauprogramm beschliessen, was zusätzliche Kosten verursacht. Es droht damit ein Totalverlust von rund 2 Milliarden. Das würde einen Grossteil des bisher aufgelaufenen Gewinnes von 2011 ausradieren.

Drei verlorene Quartale beim Neuaufbau der UBS schrecken die Aktionäre auf. Sie hatten unter Grübel akzeptiert, dass Gewinne nicht in ihren Taschen landen, sondern die Bank damit fehlendes Kapital aufbaut.

Ermotti und UBS-Präsident Kaspar Villiger trafen sich diese Woche mit wichtigen Investoren in Zürich, heisst es in Bankkreisen. In vertraulichen Meetings habe das Führungsduo seinen Plan für eine neue UBS vorgelegt. Die Investoren nahmen diesen kühl auf. Nach einem anfänglichenErmotti-Bonus von über 15 Prozent Plus sank die UBS-Aktie am Freitag um fast 7 Prozent auf noch 10.50 Franken. Damit liegt die UBS mit dem neuen Chef gefährlich nah am Allzeittief im Frühling 2009 von 8.20 Franken. «Wir erachten Finanztitel generell als nicht kaufenswert», sagt Beat Wittmann von Dynapartners, einem Zürcher Asset-Manager.

Ermottis Aufgabe als UBS-Retter nach Grübel wird zum Hochseilakt. Er muss Risiken reduzieren, die Investmentbank verkleinern, die UBS als verlässliche Gegenpartei im Interbankenmarkt positionieren, Personal motivieren, Schlüsselleute anlocken. Kurz: Der Tessiner muss eine nächste Grosskrise abwenden.

Zentral ist die Grösse der Investmentbank. Ermotti will sie zur Überraschung vieler gross belassen. Ein Herunterfahren von derzeit 18 000 Mitarbeitern auf vielleicht noch 5000, wie das oft gefordert wird, ist kein Thema.

Investmentbank bleibt integraler Bestandteil

«Wir verfolgen die Strategie der integrierten Bank, in der sich Wealth Management, Investmentbank und Asset-Management sowie das Schweizer Privat- und Firmenkundengeschäft gegenseitig ergänzen, und wir halten daran fest», schrieb Ermotti im Mail. Es folgte eine unmissverständliche Absage an eine kleine Investmentbank: «Um einen wichtigen Punkt zu klären: Die Investmentbank ist in vielen Bereichen ein führender Anbieter und trägt wesentlich dazu bei, die Erwartungen unserer Privatkunden sowie unserer Firmen- und institutionellen Kunden zu erfüllen.» Die Investmentbank würde weiter in «Kernkompetenzen» investieren, sie soll aber «insgesamt weniger komplex sein» und «weniger Risiken eingehen».

Ein UBS-Manager, der mit Ermottis Investmentbank-Plänen vertraut ist, sagt, der «point of no return» hin zu einer grossen Privatbank à la Julius Bär sei «überschritten». Die für die UBS wichtigen Superreichen seien nur mit einer grossen Investmentbank zu halten.

Biedermann fordert rasche Ablösung Villigers

Dominique Biedermann von der Anlegerstiftung Ethos kritisiert die Änderung als Kosmetik. «Für uns als langfristige Aktionäre ist der VR gefordert», sagt Biedermann. «Welche Investmentbank will er, wie schnell soll Axel Weber übernehmen?» Webers Ex-Arbeitgeberin, die Deutsche Bundesbank, sei bestimmt bereit für eine Beschleunigung, womit der Deutsche schon im Januar Villigers Amt übernehmen könnte.

Selbst das Duo Weber/Ermotti könnte die Investmentbank aber nicht sofort herunterfahren. Die UBS-Konkurrenten würden gegen die UBS-Positionen wetten und der Bank massive Verluste zufügen. Das würde den Druck auf die Bilanz verschärfen.

Offenbar will die Finanzmarktaufsicht (Finma) wissen, ob Investoren neues Kapital in die UBS einzuschiessen bereit sind. In Zürcher Bankenkreisen ist zu hören, dass sich Finma-Grossbankenchef Mark Branson, ein Ex-UBS-Finanzmanager, diese Woche angeblich ebenfalls mit UBS-Investoren getroffen habe.

Nicht alle jedoch sehen schwarz. «Im Unterschied zu anderen Finanztiteln sehe ich bei der UBS unter Ermotti Aufholpotenzial», meint Thomas Matter, Chef der Neuen Helvetischen Bank.


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