Enttäuschter Zampano

Raiffeisen will die Privatbanken Sarasin und Vontobel verschmelzen. Kein leichtes Unterfangen. Handelszeitung, 27. Oktober 2011

An der Gotthardstrasse unweit vom Zürcher Paradeplatz ist die Welt noch in Ordnung. Dort respektieren alle, dass nur einer bestimmt. Hans Vontobel, der letzte Patriarch des Swiss Banking, hat immer das letzte Wort bei der Privatbank. Nur einer will das nicht akzeptieren. Es ist PierinVincenz, Bündner „Grind“ und umtriebiger Chef der Raiffeisen-Gruppe. Der hat mit VontobelGrosses vor. Die Zürcher Bank soll mit Sarasin, der Konkurrentin aus Basel, zusammengehen. Sarasin und Vontobel zur dritten Kraft von Swiss Private Banking bündeln-das ist die grosse Vision des 55-Jährigen.

Vincenz ventiliert seine Idee nicht erst seit gestern. Als vor wenigen Wochen bekannt wurde, dass die holländische Rabo-Bank ihre Mehrheitsbeteiligung an der Basler Bank Sarasin abstossen könnte, preschte Vincenz vor. Über diverse Zeitungen liess er verlauten, dass seine Raiffeisenbank an Sarasin interessiert sei.

Geplatzer Coup im Jahr 2004

Sein Plan sieht gut aus-wenigstens auf dem Papier. Vincenz‘ Raiffeisen, eine Genossenschaftsbank mit Hunderten von Filialen im ganzen Land, besitzt seit Jahren einen Achtel an der Zürcher Vontobel. Die beiden Häuser kooperieren bei den Fonds-Vontobel managt die Raiffeisen-Vehikel-und in der Informatik. Dort wickelt Vontobel das Wertschriftengeschäft der Genossenschaftsbank ab. Zudem hat Vincenz bei der Privatbank ein Vorkaufsrecht. Wenn die beiden Besitzerfamilien, jene von Hans Vontobel und jene seiner Schwester, die Aktienmehrheit jemals veräussern sollten, muss Raiffeisen angefragt werden.

Doch so einflussreich ist der Bündner trotzdem nicht. Zwei Vontobel-Insider erzählen, dass der Raiffeisen-Chef bereits im Jahr 2004 Vontobel zu einer Fusion mit der Basler Sarasin gedrängt habe-damit aber bei Hans Vontobel aufgelaufen sei. Damals wäre der Deal auf eine Übernahme der Basler Sarasin durch die Zürcher Vontobel hinausgelaufen, sagen beide Quellen übereinstimmend. „Vincenz‘ Plan sah vor, dass Vontobel Sarasin übernehmen würde, doch der Deal wäre nach aussen als Fusion dargestellt worden“, sagt ein Ex-Vontobel-Manager. Der zweite Gewährsmann, auch er aus den Reihen von Vontobel, bestätigt, dass Vincenz als Verwaltungsrat von Vontobel auf eine Übernahme von Sarasin „gedrängt“ habe. Der damals vor seinem Rücktritt stehende Sarasin-Präsident Georg Krayer sei mit einem Verkauf einverstanden gewesen.

Doch als die obersten Posten verteilt werden sollten, begannen die Schwierigkeiten. Weil das Präsidium der neuen Bank nach Krayers Rücktritt einem Vontobel-Mann zugefallen wäre, hätte Sarasin den Chef stellen dürfen. Dagegen opponierte Vontobel-Chef Herbert Scheidt. Die personellen Querelen dauerten so lange, bis Hans Vontobel sein Veto einlegte. Nach dem erfolglosen Versuch schien Vincenz seine Ambitionen zu beerdigen. Jedenfalls brachte er das Thema innerhalb von Vontobel lange Zeit nicht mehr pointiert zur Sprache, sagen die Insider.

Wie Sprüngli und Migros

Da nun Sarasin zum Verkauf steht, zeigt sich, dass Vincenz höchstens dem internen Frieden zuliebe aufs Maul gesessen ist. Doch so chancenlos Vincenz beim ersten Versuch war, die beiden Konkurrenten Vontobel und Sarasin zu vermählen, so wenig aussichtsreich sieht sein zweiter Anlauf aus.

Dem Raiffeisen-Chef fehlt nicht nur das nötige Kleingeld für die auf 2 Milliarden Franken geschätzte Übernahme von Sarasin. Auch von der Kultur her setzen Auskunftspersonen dicke Fragezeichen hinter das Vorhaben. Eine auf Gutbetuchte ausgerichtete Privatbank passt zur Raiffeisen-Gruppe mit ihrer Retail-Kundschaft etwa gleich gut wie die Schokolade-Boutique Sprüngli zur Migros. Raiffeisen-Chef Vincenz kennt die Einwände. Um das Kapitalproblem zu lösen, sucht er offenbar Private-Equity-Investoren, wie aus Zürcher Bankkreisen zu vernehmen ist. Und das Kulturproblem packt er an, indem er einer neu geschaffenen Vontobel-Sarasin weitgehende Freiheiten lassen würde.

Doch Vincenz kann die Sache drehen und wenden, wie er will. Die Chance, dass er diesmal zum Ziel kommt, ist gering. „Von den genannten Interessenten an Sarasin überzeugt nur Julius Bär“, sagt ein Investmentbanker einer Auslandbank mit Ableger in Zürich. „Allenfalls könnte sich noch die Deutsche Bank oder die englische Barclays für die Basler interessieren.“ Vincenz mit seiner Raiffeisen sei hingegen zu kapitalschwach, ein Private-Equity-Investor fehle offensichtlich.

Vincenz hält sich bedeckt. „Wir kommentieren das nicht“, sagt er auf die Frage, ob er die ZürcherVontobel, an der seine Bank eine Minderheit hält, und die Basler Sarasin zusammenfügen möchte. Bei Vontobel reagiert man gelassen auf die Gerüchte. „Wir sind unseren Kunden und allen Aktionären verpflichtet“, sagt Sprecher Reto Giudicetti. Dann macht der Vontobel-Mann klar, woher der Wind weht. „Unsere Hauptaktionäre haben immer klar kommuniziert, dass ihnen Unabhängigkeit und unternehmerische Handlungsfreiheit wichtig sind.“ Aufdeutsch: Vergessen Sie Ihre Pläne, Herr Vincenz!

Zumindest solange Hans Vontobel bestimmt. Der Senior ist zwar formell lediglich Ehrenpräsident der Privatbank, während der frühere Chef Herbert Scheidt inzwischen zum Präsidenten aufgestiegen ist und seinen Zögling Zeno Staub zu seinem Nachfolger auf dem operativen Chefsessel gemacht hat. Das ändert nichts daran, dass Hans Vontobel die entscheidende Figur ist und bis auf weiteres bleibt. Scheidt weiss, wie wichtig für ihn das Vertrauen des Patriarchen ist, und hütet sich entsprechend vor Schritten, die Hans Vontobel widerstreben könnten. Hans Vontobelselbst ist trotz hohem Alter offenbar fit und gewillt, die ultimative Macht so lange wie möglich zu behalten.

So stellt sich die Frage, wohin Vontobel in diesen turbulenten Zeiten steuert, in denen schon bald kein Stein mehr auf dem anderen bleiben könnte. Mit 1400 Mitarbeitern, 130 Milliarden Franken an Kundenvermögen und 80 Millionen Franken Halbjahresgewinn scheint die Bank zu klein für den ewigen Alleingang und zu gross zum baldigen Sterben zu sein. Gefragt, wie Vontobel die Zukunft meistern will, sagt Sprecher Giudicetti: „Wir sind fokussiert auf unsere Kernfähigkeiten und auf unsere Märkte.“

Aber als mittelgrosser Player alle drei Disziplinen-Private Banking, Asset Management und Investment Banking-zu betreiben, sei auf Dauer wenig Erfolg versprechend, sagen viele Beobachter. Doch, meint der Vontobel-Mann, die Bank würde „eng“ in einem integrierten Geschäftsmodell arbeiten, welches sich bewährt habe. „Damit erreichen wir einen überlegenen Kundennutzen, Synergien in der Geschäftsentwicklung und eine Ausbalancierung unserer Erträge.“

Kein Interesse

Klein und unabhängig, solange es geht. Das ist und bleibt also die „Vision“ von Vontobel. Raiffeisen-Zampano Pierin Vincenz, der wohl viel lieber eine richtige Privatbank kommandieren würde, statt weiterhin auf einer Minderheitsbeteiligung ohne echten Einfluss zu sitzen, dürfte ob diesen Aussichten enttäuscht sein. Die gelassene Reaktion von Vontobel-Sprecher Giudicetti auf die Frage, wie das Verhältnis zu Vincenz und seiner Raiffeisen heute sei, nachdem deren Fusionspläne publik geworden seien, spricht Bände. „Wir arbeiten in der laufenden Kooperation sehr eng zugunsten der Raiffeisen-Kunden zusammen und haben die Verträge letztes Jahr gemeinsam bis 2017 verlängert“, sagt Giudicetti. Mit anderen Worten: Interessiert uns nicht. Das hat sich Vincenz sicher anders erhofft.


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