Endspiel in Washington

Credit Suisse Im Streit um Steuersünder hat die Grossbank gegen die USA zunehmend schlechte Karten. Handelszeitung, 22. September 2011

Christos Bagios wird zur entscheidenden Trumpfkarte der Amerikaner. Der griechischstämmige Credit-Suisse-Banker sitzt seit Januar in den USA fest. Sein Prozess wird laufend hinausgeschoben. „Bagios ist die perfekte Geisel der USA für das Endspiel“, sagt ein US-Anwalt mit engen Beziehungen zum Justizministerium in Washington. Die Juristen von Obamas Regierung gehen gegen die Credit Suisse und seit dieser Woche auch gegen weitere Schweizer Banken strafrechtlich vor. Mit „Endspiel“ meint der Anwalt, der viele amerikanische Kunden von Schweizer Banken vertritt, die laufenden Verhandlungen der USA mit der Schweiz um die Offenlegung Tausender von US-Steuerhinterziehern und ein Loskaufen von einer Mitschuld durch rund ein Dutzend Schweizer Banken. Die Bussen könnten sich laut dem Insider auf total 5 Milliarden Dollar oder gar noch mehr belaufen.

Angst vor dem Auspacken

Laut dem Anwalt ist Bagios das Damoklesschwert über der CS-Spitze. Solange ihn die USA nicht anklagen, so lange sehe er sich nicht gezwungen zu kooperieren. Dies wolle die CS unbedingt verhindern, weil Bagios dann wohl sein Wissen über die Offshore-Praktiken der Grossbank auf den Tisch legen werde. Kein Wunder, finanziere die CS Bagios Top-Strafverteidiger in den USA, meint die Quelle. „Die CS will Bagios ohne Kooperation nach Hause bringen. „Die Bank sei bereit, eine Milliardenbusse zu zahlen und in Bern auf eine umfassende Kundendatenoffenlegung hinzuwirken. Die CS will diese Vermutungen nicht kommentieren.

Bagios weckt Erinnerungen an Martin Liechti, einen Generaldirektor der UBS, der 2008 ebenfalls auf US-Boden verhaftet worden war und der wohl wichtigste Zeuge der US-Ermittler gegen die UBS war. Die Grossbank gab wenige Wochen nach Liechtis Verhaftung ihr Geschäft mit US-Schwarzgeld auf und zahlte später eine Rekordbusse. Bern sah sich zudem gezwungen, bankgeheimnisgeschützte Kundendaten in einer Notaktion den USA auszuhändigen.

Der dritte Schweizer Banker, der sich in den USA erwischen liess, heisst Renzo Gadola und legte vor den Sommerferien ein umfassendes Geständnis ab. Gadola wurde damit zur entscheidenden Figur beim Schliessen des letzten Schwarzgeld-Schlupflochs, jenem der Kantonalbanken. Gadola und seine Verbündeten hatten vor allem die Basler Kantonalbank als Hafen für unversteuerte US-Gelder genutzt in der Annahme, die USA würden die vom Staat garantierte Kantonalbank ohne Ableger in den USA niemals in die Knie zwingen können. Kürzlich musste nun aber der Präsident der Basler Kantonalbank die Aufnahme von amerikanischem Schwarzgeld öffentlich als Fehler bezeichnen. „Mit Gadolas Aussagen haben die USA das letzte Bankgeheimnis-Nest ausgeräuchert“, meint der US-Kriminalanwalt.

Weil die USA Geiseln und wasserdichte Fälle haben, kommt wohl der Widerstand im Schweizer Parlament zu spät. Am Mittwoch schickte der Ständerat die sogenannte erweiterte Amtshilfe an den Bundesrat zurück, die eine Offenlegung ohne spezifische Namen ermöglichen und den Weg für einen Globaldeal mit den USA freimachen soll. Man wolle zuvor wissen, was ein solcher Deal umfassen würde, lautete die Begründung der Parlamentarier. Vermutlich ist das nur ein Spiel auf Zeit. Vor den Wahlen ist Härte gegen die USA gefragt, danach dürfte das Interesse des Finanzplatzes in den Vordergrund rücken vor allem jenes der CS. Die Grossbank gilt mit

ihrer riesigen Bilanz immer noch als „too big to fail“, als Klumpenrisiko für die Schweiz, die durch eine Strafanklage in den USA derart destabilisiert werden könnte, dass die Eidgenossenschaft einspringen müsste und selbst in Schieflage geraten könnte. Zudem ist die Bank mit ihren grossen Engagements in den USA vor Ort belangbar. Die CS-Spitze drängt Bern seit längerem zu einem raschen Einlenken bei der Herausgabe vieler US-Kundendaten. „Alles hängt von Bern ab“, bringt ein CS-Manager das Zusammenspiel von Finanz-und Politzentrum auf den Punkt.

Für die CS ist aber nicht nur Geisel Bagios ein Risiko, sondern auch eine Dokumentensammlung, die den USA vorliegt und die zeigt, wie dünn die Offshore-Linie der CS zwischen regulärem und illegalem Verhalten war. Die Schriftstücke zeigen das Bemühen der zuständigen Rechtsabteilungen der Grossbank, das Geschäft mit nicht versteuerten US-Geldern weiter betreiben zu können im Wissen, dass dieses von den US-Behörden eng begrenzt ist und dass es bei Verstössen zu weitreichenden Konsequenzen kommen könnte. Offensichtlich war das Ziel, mit juristisch wasserdichten Präzisierungen die damalige Schweizer Vermögensverwaltungspraxis mit US-Gesetzen zu vereinen.

Insbesondere „Policy P-00025“ birgt Überraschendes. Die Regelung trat Anfang 2007 in Kraft und war nur für „internen Gebrauch“ gedacht. Sie umschrieb die Geschäftsbeziehung mit „US-Personen“, „US-Steuerzahlern“ und „externen Vermögensverwaltern“ mit US-Kunden. Autor war die Rechtsabteilung des Private Banking, das funktional dem Konzernanwalt unterstand. Dieser war damals Urs Rohner, heute Präsident der Credit Suisse und an vorderster Front bei den Verhandlungen mit den USA dabei

Von Kanzleien verfasst

Unter Punkt 4 von P-00025, das in englischer Fassung der „Handelszeitung“ vorliegt, definierte die CS den Begriff einer „US-Person“. Demnach fallen nicht nur „normale“ US-Bürger in diese Kategorie, sondern auch externe US-Vermögensverwalter mit Nicht-US-Kunden, Firmen mit US-Gesetzesunterstellung und Trusts mit US-Personen als Bevollmächtigten.

Als „wichtige Ausnahme“ nennen die CS-Juristen einen zentralen Punkt. Die Vermögen von „US-Personen“ würden als Aktiva von „Nicht-US-Personen“ gelten, falls der betreffende Kunde der CS ein „umfassendes Vermögensverwaltungsmandat“ erteilt habe, und zwar zu einem Zeitpunkt, zu dem sich der Kunde nicht auf US-Boden befand. Daraus folge, fährt P-00025 fort, dass die Bank solche Portfolios „nicht als Aktiva von US-Personen behandeln“ würde. Die Ausnahme gelte nicht für externe Vermögensverwalter, welche die Vermögen von US-Kunden bei der CS halten würden.

Die Credit Suisse nimmt zum Papier 00025 schriftlich Stellung. Sämtliche Vorschriften würden „in enger Zusammenarbeit mit führenden externen Anwaltskanzleien“ entwickelt und gälten „als branchenführend“. „Dies trifft auch auf die Vorschrift bezüglich des US-Geschäfts zu“, so die Bank.

Die CS betont, dass mit „US-Persons“ und „Non-US-Persons“ nicht auf eine steuerliche Unterscheidung hingewiesen werde. „Der Abschnitt zu den Vermögensverwaltungsmandaten reflektiert die SEC-Vorschriften (die US-Börsenaufsicht, die Red.) und die dortigen Definitionen von US-Personen. „Es sei „völlig abwegig“, bei diesem Teil der Policy an eine „Umgehung von Steuerverpflichtungen zu denken“. Steuervorschriften gingen SEC-Regeln vor und seien korrekt erlassen worden.

Was die USA in Anklagen gegen einzelne CS-Manager und-Kundenberater aus dem US-Offshore-Geschäft vorbringen, kontrastiert mit diesen CS-Aussagen. Die USA werfen CS-Angestellten unter anderem vor, auf US-Boden amerikanischen Steuersündern beim Verstecken von Schwarzgeld geholfen zu haben. Auch hätten CS-Manager nach dem Fall der UBS Amerikanern geraten, ihre Schweizer CS-Gelder bei weniger exponierten Banken zu verstecken.

Damit habe man nichts zu tun, betont die CS. „Allfällige Verstösse durch CS-Mitarbeiter gegen amerikanische Vorschriften wären auch Verstösse gegen interne Richtlinien-das haben wir stets betont.“


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