Das letzte Schlupfloch

Der Schweizer Banker Gadola wird in den USA vor Gericht aussagen. SonntagsZeitung, 30. Oktober 2011

Ein Jahr nach seiner Verhaftung in Florida kehrt Renzo Gadola in die USA zurück. In Miami, wo der heute 45-jährige Schweizer Offshore-Banker in flagranti erwischt wurde, fällt ein Richter am 18. November das Urteil über den Ex-UBS-Berater. Gadola wird damit zum ersten Schweizer, der im Rechtsstreit der USA mit der Schweiz rechtskräftig verurteilt wird.

Gadolas Rolle beim Zerfall des Schweizer Bankgeheimnisses ist zentral. Erst dessen umfassende Kooperation ermöglichte es den USA, das letzte Schlupfloch zu schliessen.

Kantonalbanken als Hafen für US-Steuerflüchtlinge

Die Rede ist von den Kantonalbanken. Als Staatsbanken schienen sie der sichere Hafen für US-Steuerflüchtlinge, die ab 2008 von UBS und Credit Suisse fallen gelassen wurden.

Vor Gadola hatten die USA nur Whistleblower Bradley Birkenfeld, mit dessen Hilfe sie die UBS in die Knie zwingen konnten. Birkenfeld, ein US-Bürger, wurde 2009 zu 40 Monaten Gefängnis verurteilt. Er hatte seine eigene Rolle mit US-Schwarzgeld teilweise verschwiegen.

Laut zwei Ex-UBS-Kollegen rechnet Gadola mit einem milden Urteil. «Er hofft auf Bewährung», sagt eine Quelle. Gadola bestätigt, dass er sich dem Gericht stellen wird. Seine Ex-Frau ist Amerikanerin und lebt mit den gemeinsamen Kindern, 11 und 13, in der Nähe Washingtons.

Gadolas Geschichte liest sich wie ein Krimi. Der Vermögensberater wechselte 2005 von der UBS-Abteilung mit unversteuerten US-Kunden zu einer Tochter mit Lizenz für steuerehrliche Kunden. Als die UBS unter US-Steuerdruck geriet, gründete Gadola 2009 die RG Investment Partner und mietete sich bei einem Ex-UBS-Kollegen ein. Während der Partner auch unversteuerte Kunden betreute, fokussierte sich Gadola auf Amerikaner mit deklarierten Vermögen auf Schweizer Konten.

Was nach strikter Trennung aussah, entpuppte sich zumindest in einem Fall als Tarnung. Für einen US-Steuersünder, der sich im Geheimen dem Fiskus gestellt hatte, agierte Gadola im Namen seines Büropartners. Dieser konnte bereits damals nicht mehr gefahrlos in die USA reisen. Der gemeinsame Plan war, dass Gadola den Kunden davon überzeugen sollte, dass dessen Gelder bei der Basler Kantonalbank sicher vor einem US-Zugriff wären.

Im 5-Stern-Hotel Mandarin Oriental in Miami, auf einer vorgelagerten Insel vis-à-vis der UBS-Offshore-Zentrale, traf Gadola am 8. November 2010 den Kunden. Ihm schwante nichts Böses. Dass der Kunde für das Gespräch mit dem Swiss Banker verkabelt wäre, wäre ihm nicht im Traum in den Sinn gekommen. Das belegt sein hoffnungsloser Versuch, nach der Verhaftung auf seine US-Bankenlizenz zu verweisen und von einem Missverständnis zu sprechen.

«Die Falle, die meinem Ex-Partner und mir von einem ehemaligen Kunden gestellt wurde, war sehr perfid», sagt Martin Lack, Zürcher Büropartner von Gadola. Der Kunde habe «bereits steuerliche Probleme mit den US-Behörden» gehabt, sagt Lack. Er habe «in der Zusammenarbeit mit der US-Justiz die einzige Möglichkeit» gesehen, aus der Affäre einigermassen heil rauszukommen.

Als Gadola die Ausweglosigkeit seiner Lage einsah, kooperierte er mit den USA. Seinen Kollegen in der Schweiz sagte er, er würde in den USA bleiben, weil gegen ihn wegen «hit and run» – Fahrerflucht – ermittelt würde. Auch seinem Partner Lack tischte er diese Version auf. Trotzdem sagt dieser heute: «Ich bin überhaupt nicht enttäuscht von meinem Ex-Partner.»

Grosse Daten-Offenlegung der Schweiz als mögliche Folge

Die Fahrerflucht-Story war Gadola von den USA aufgetragen worden. Damit sollten sich Kunden und Kollegen in falscher Sicherheit wiegen. Laut einem US-Anwalt legte Gadola in seinem Geständnis alle Namen von Bankern und Kunden offen. «Gadola ist die Schlüsselperson im US-Steuerkrieg», sagt der Jurist. Ohne dessen Kooperation hätten die USA den Finanzplatz nicht in die Enge treiben können. In den nächsten Wochen wird mit einer grossen Daten-Offenlegung der Schweiz und einem teuren Ablass-Deal betroffener Banken gerechnet.


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