Credit Suisse liest alle Clariden-Büromails

Clariden-Leu-Besitzerin CS befürchtet, dass Berater samt vermögenden Kunden zur Konkurrenz wechseln. SonntagsZeitung, 11. Dezember 2011

Nächsten Frühling ist Schluss. Dann verschwindet Clariden Leu, eine über 250-jährige Bank, im Grossreich des Mutterhauses Credit Suisse (CS).

Die Integration hält die CS nicht davon ab, noch schnell ein umfassendes E-Mail-Überwachungsprogramm bei der Clariden zu implementieren. «Verschickte Mails werden automatisch auf Kundendaten gescannt», teilten zwei Clariden-Topleute kürzlich dem Personal mit. Begründet wird der Schritt im Schreiben, das der SonntagsZeitung vorliegt, mit dem Ziel verbesserter «Datensicherheit» und um sicherzustellen, dass Daten «sorgfältig» gehandhabt werden. «Die Massnahmen umfassen die schrittweise Einführung eines automatischen Scanning-Prozesses bei Clariden Leu Schweiz», heisst es. Alle «E-Mails an externe Domain-Adressen», also ausserhalb der CS- und Clariden-Domains, seien betroffen.

Dass die aufwendige Aktion wenige Monate vor dem Clariden-Aus implementiert wird, erklären sich betroffene Mitarbeiter mit den grossen Schwierigkeiten rund um die Integration. Weil eine Mehrheit der Angestellten einen Monat nach Ankündigung des Plans immer noch nicht wüsste, was sie im CS-Konzern erwarte, steige die Gefahr von Abgängen wichtiger Mitarbeiter und dem Abfluss von Kundenvermögen, heisst es.

Personal fühlt sich eingeschüchtert

«Mit dem Mail-Scanning versucht uns die Leitung einzuschüchtern», vermutet ein Clariden-Manager. «Die Botschaft lautet: ‹Passt auf, was ihr euren Kunden sagt, wir überwachen euch.›»

CS-Sprecher Marc Dosch dementiert: «Es gibt keine Kausalität zwischen dem Ausrollen des Scanning-Prozesses auf Clariden-Leu-Seite und der Integration in die CS.» Dass Mails mit sensiblen Kundeninhalten gescannt und von der zuständigen Stelle ausgewertet würden, sei eine von langer Hand geplante Aktion, sagt Dosch. Das Mutterhaus habe damit bereits Anfang Jahr begonnen.

Die Massnahme hat gemäss dem Mitarbeiterbrief grünes Licht vom Datenschutz in Bern erhalten. Eine Sprecherin des Datenschützers bestätigt, dass solche «Scanning-Systeme grundsätzlich Datenschutz-konform» installiert werden könnten. «Das Unternehmen muss aber sicherstellen, dass keine privaten Mails geöffnet werden», sagt die Sprecherin des Amts. Allfällige Persönlichkeitsverletzungen seien das Risiko der Firmen.

In einem weiteren Schreiben vom 1. Dezember ans Clariden-Personal griff Intergrations-Chef Hanspeter Kurzmeyer die Sorgen der Mitarbeiter auf (siehe Ausriss). Die darin angesprochenen Schwierigkeiten bestätigen die Zweifel an der offiziellen CS-Aussage.

Kurzmeyer skizzierte die grössten Probleme rund um den laufenden Prozess. «Massive Umwerbung seitens Konkurrenz und Headhunter» lautete ein zentraler Punkt auf Mitarbeiterseite, «viele negative Reaktionen, grosse Zurückhaltung und Skepsis gegenüber Grossbank» ein anderer auf der Kundenseite. Laut einem Zürcher Headhunter würden Clariden-Mitarbeiter mit hohen Kundengeldern oder einem guten Track-Record im Geldverwalten von der Konkurrenz gejagt. Ein Clariden-Manager sagt, grössere Privatbanken auf dem Platz Zürich würden zu halb öffentlichen Informationsveranstaltungen einladen, um sich als Arbeitgeber anzupreisen.

Um drohenden Kundengeld-abflüssen entgegenzuwirken, führte Kurzmeyer in seinem Memo die Vorteile der Integration ins Private Banking der grossen CS auf. Beim Zufluss neuer Kundengelder habe die CS in den letzten Jahren «ihre Mitbewerber deutlich übertroffen», hält er fest. Zudem würde das «integrierte Geschäftsmodell» der Bank mit Private und Investment Banking sowie Vermögensverwaltung den Kunden «weltweit Lösungen aus einer Hand» ermöglichen.


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