Nah am deutschen Steuerrecht

Vereinbarung erlaubt dafür den Schweizer Banken den freien Marktzutritt. SonntagsZeitung, 24. Oktober 2010

Nach zähen Verhandlungen hat man sich geeinigt: Staatssekretär Michael Ambühl und sein deutscher Kollege Hans Bernhard Beus haben ein sechsseitiges Papier unterzeichnet. Das hat die SonntagsZeitung von einer mit der Sache vertrauten Person erfahren. Darauf basierend beschliessen Ende nächster Woche die Finanzminister Hans-Rudolf Merz und Wolfgang Schäuble Eckwerte für Verhandlungen.

Gemäss Papier «orientieren sich» die Entkriminalisierung der Altgelder und die zukünftige Regelung am deutschen Steuerrecht. Dafür wahrt die Schweiz die Kunden-Privatsphäre und muss keine Daten offenlegen. «Wir haben uns mit Deutschland auf Grundsätze und Formeln geeinigt», bestätigt Mario Tuor von Ambühls Staatssekretariat für internationale Finanzfragen (SIF). «Erst in konkreten Verhandlungen werden diese mit Zahlen gefüllt.»

Das deutsche System von 2009 sieht 25 Prozent Abgeltungssteuer respektive 26,375 Prozent inklusive Solidaritätszuschlag vor auf Erträgen wie Dividenden und Zinsen sowie auf Kapitalgewinnen. Damit ist die Pflicht zur Deklaration abgegolten.

Der Deal ist ein Befreiungsschlag in extremis. Deutsche Fahnder machen seit Anfang Jahr mit gestohlenen Daten, für die sie Millionen zahlen, Jagd auf Steuersünder. Im Juli wurden sämtliche deutschen CS-Filialen gefilzt, weil deren Kundenberater der Beihilfe zu Steuerbetrug verdächtigt wurden. Diese Woche ermittelte Deutschland mittels gestohlener Daten-CD gegen Julius Bär.

Zwei magere Jahre für Banker nach Inkrafttreten des Vertrags

Das Schwarzgeld wird per Einmalzahlung auf das Durchschnittsvermögen gesäubert. Auf Vermögen, die zehn Jahre und mehr in der Schweiz liegen, würden 25 Prozent anfallen. In einer Studie geht der Finanzbroker Helvea von 200 Milliarden Franken deutschem Schwarzgeld aus. Vermutlich liegt der Bestand eher bei 300 Milliarden.

Ein Schwarzgeld-Kunde kann sein Geld in ein Finanzparadies ohne Abkommen mit Deutschland verschieben, es in der Schweiz lassen und die Abgeltung zahlen oder es in Deutschland versteuern. Wählt beispielsweise ein Drittel Flucht respektive Repatriierung, bleiben 200 Milliarden Franken hier. Durch Einmalzahlung von geschätzten 17,5 Prozent – das hängt von der Durchschnittslaufzeit ab – gehen weitere 35 Milliarden verloren. Zurück bleiben 165 Milliarden Franken legalisiertes Vermögen, gut die Hälfte des aktuellen Bestands.

Folge sind tiefere Gebühren, die zusätzlich unter Druck geraten durch mehr Konkurrenz, da der Kunde sein Geld frei verschieben kann. Bei der CS sind die Margen mit Kunden aus den EU-Ländern Deutschland, Frankreich, Italien und Grossbritannien im Vorjahresvergleich von 119 auf 111 Basispunkte gesunken. 2009 zogen deren Kunden 11 Milliarden ab, 2010 sind es bisher 4 Milliarden.

«Die ersten beiden Jahre nach Inkrafttreten des Abkommens dürften für die Schweizer Vermögensverwalter mager ausfallen», sagt der Finanzprofessor Martin Janssen. «Viele haben wohl zu lange aufs Schwarzgeld gesetzt, statt sich spätestens ab 2008 vermehrt auf die Risiken im grenzüberschreitenden Finanzgeschäft – auch im Bereich des Steuerrechts – auszurichten.»

Hummler: «Der Marktzutritt war für uns immer zentral»

Janssen, Konrad Hummler von der Bank Wegelin und Sarasin-Präsident Christoph Ammann schrieben ein Strategiepapier, auf dem Ambühls Abkommen basiert. «Für uns war immer der Marktzutritt zentral», so Hummler. Laut SIF-Sprecher Mario Tuor ist ein besserer Marktzutritt «Teil des Deals». Allerdings stehe im Ergebnispapier nur, dass Deutschland über den Marktzutritt verhandeln wolle, sagt ein Insider. Schweizer Banken könnten wohl ihre Services anbieten, nicht aber ihre Produkte.

«Wenn wir den freien Marktzutritt erhalten, macht der Schweizer Finanzplatz einen riesigen Schritt nach vorn», freut sich Veit de Maddalena von der Rothschild-Bank trotzdem. «Das wäre nicht einfach ein Befreiungsschlag, sondern eine zentrale strategische Weichenstellung.» Christof Reichmuth von der Reichmuth-Bank sieht ebenfalls Positives. «Ohne den bisherigen Heimatschutz Deutschlands» eröffne sich «ein riesiger Markt zur aktiven Bearbeitung».


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