Milliarden abgeflossen

Kritik an Führung und Strategie der Privatbank Clariden Leu wird lauter. SonntagsZeitung, 19. September 2010

Während viele Banken von der UBS-Krise profitieren, verliert die Clariden Leu (CL) an Boden; und dies, obwohl das 255-jährige Institut mit 1700 Mitarbeitern zu den Top-Privatbanken zählt. 2007 aus der Clariden Bank und vier CS-Privatbanken geschaffen, verlor CL im ersten Halbjahr fast eine Milliarde Kundengelder, der Bestand sank auf 99 Milliarden. Im Juli beschleunigte sich laut einem CL-Banker der Abfluss auf total 2,5 Milliarden.

«Mit unserer Neugeld-Entwicklung sind wir noch nicht zufrieden», gibt Sprecher Thomas Ackermann zu. Rückgänge wegen des aufgeweichten Bankgeheimnisses – Ackermann nennt das «strukturell bedingt» – hätten «noch nicht durch Neugelder aus den Wachstumsmärkten kompensiert werden» können. «Dafür sind wir hochprofitabel, was schon immer unser Hauptfokus war.»

Die 100 Millionen Semester-Reingewinn entsprechen knapp 60 000 Franken pro Mitarbeiter, deutlich weniger als etwa die 74 000 Franken bei Julius Bär. Das Problem, so ein CL-Manager, seien CEO Hans Nützi und seine Crew, die qualitativ und strategisch nicht genügten. Nützi, ein Schlachtross von Swiss Banking, startete vor 38 Jahren bei der Volksbank und übernahm Ende 2007 das CL-Steuer.

In einem Mitarbeiter-E-Mail Ende Juli zeigte er sich unkritisch. Die CL würde «hinsichtlich der Profitabilität weiterhin den Benchmark in der Branche setzen» und geniesse «breite Anerkennung».

Aus Sicht von UBS-Analysten ist die CL hingegen ein Sorgenkind. Vermögensabfluss und sinkender Bruttogewinn würden «fundamentale Fragen» aufwerfen, schrieben die UBS-Analysten kürzlich. Ein Verkauf sei «unwahrscheinlich», eine stärkere Integration «wünschenswert».

«Eine Integration von Clariden Leu in die CS-Gruppe ist kein Thema», lässt CEO Nützi ausrichten. In einem Reuters-Interview zeigte Nützi gar Interesse an «mittleren bis grossen Zielen».

Langes Warten auf erhofftes Neugeld aus Lateinamerika

Bisher wollte die CL aus eigener Kraft wachsen. Als Asienchef stiess ein bekannter Deutsch-Banker zum Team, doch brachte er das erwartete Neugeld noch nicht mit. «Zum Teil müssen komplexe Strukturen zuerst intern abgebildet werden, bis die Kundengelder transferiert werden können», begründet CL-Sprecher Ackermann.

Für Lateinamerika wurde ein UBS-Team eingekauft. Das habe statt der erhofften Milliarde nur etwa 200 Millionen mitgebracht, sagt ein CL-Banker. Der Bereich sei auf über 100 Personen explodiert, den UBS-Leuten würden aber Beziehungen für die Boommärkte Brasilien und Mexiko fehlen. In Europa, allen voran Deutschland, sieht es nicht besser aus: Hier fliesse viel Geld ab, sagt die Quelle.

Die Kritik an der Führung wird lauter, doch Sprecher Ackermann verteidigt: «Unser Topmanagement besteht aus ausgewiesenen Experten mit Erfolgsausweis, welche die herausforderungsreichen Zeiten und den Transformationsprozess sehr gut gemeistert haben.»

So gut, dass Nützi offensichtlich Zeit für anderes hat: Als Privatunternehmer erwarb der Clariden-Leu-Chef im vergangenen Jahr Freibad und Restaurant des Solothurner Burgäschisees. Mit seinem Bruder brachte er die Anlage in Schuss.


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