Heftiges Seilziehen um die «Too big to fail»-Regeln

Das Gerangel um die Publikation des Schlussberichts der Expertenkommission ist Ausdruck der Nervosität über die kommenden Vorschriften für die Grossbanken. Handelszeitung, 25. August 2010

Am 16. August habe die Expertenkommission, die das Problem der zu grossen Banken lösen muss, eine Verschiebung ihres Schlussberichts beantragt; das sagt ein Komissionsmitglied, das nicht genannt sein will. Statt Ende August solle der Bericht erst Ende Jahr vorliegen. Präsident Peter Siegenthaler, bis Mitte Jahr noch Direktor der Eidgenössischen Finanzverwaltung, habe seinem Ex-Chef, Finanzminister Hans-Rudolf Merz, einen entsprechenden schriftlichen Antrag gestellt.

Dickes Polster für nächste Krise

Hinter der überraschenden Verschiebung steht offenbar ein Seilziehen zwischen den Grossbanken und ihren Kritikern im Lager der Nationalbank (SNB). Während die UBS und die CS die Aufnahme von neuem Eigenkapital möglichst tief und ihre Bilanzen möglichst gross halten wollen, streben die Regulatoren ein dickes Polster für die nächste Krise an. Ziel ist es, dass nie mehr der Steuerzahler für die Verluste einer Bank aufzukommen hat. Kommissions-präsident Siegenthaler will sich nicht äussern, ebenso wenig das Finanzdepartement. Auch die Grossbanken lehnten einen Kommentar ab.

Laut einem Vertrauten Siegenthalers weigern sich die Grossbankenvertreter in der Kommission standhaft, das sich abzeichnende internationale Minimum zu akzeptieren. Von der CS sitzt der designierte Präsident Urs Rohner im Gremium, bei der UBS ist es die Nummer zwei, Ulrich Körner.

Eine solche Weigerung käme einer Überraschung gleich. Sie würde bedeuten, dass die Kommission nicht wie bisher erwartet darüber streitet, wie viel mehr Eigenkapital die beiden Schweizer Grossbanken im Verhältnis zu ihren ausländischen Konkurrenten aufnehmen müssten. Sondern die UBS und die CS würden im Gegenteil fordern, dass sie pfleglicher behandelt würden.

Bisher war stets die Rede davon, dass die Schweiz besonders harte Vorschriften anstrebe, weil die Grossbankbilanzen im Vergleich zur Wirtschaftskraft des Landes nach wie vor riesig seien. Die Aktiven der UBS und der CS belaufen sich addiert auf gut das Vierfache des Schweizer Bruttoinlandprodukts (BIP). Die Nummer eins der USA, die Bank of America, kommt auf 16%, die Deutsche Bank auf 80%. Die hiesigen Regulatoren befürchten, dass die kleine Schweiz das Klumpenrisiko bei einem nächsten Grossbanken-kollaps nicht mehr tragen könnte.

Schlussbericht offenbar fertig

Ein Mitglied der Expertenkommission, das den Grossbanken freundlich gesinnt ist, spielt jedoch den internen Streit herunter. Dass es einen «Swiss Finish» mit schärferen Eigenkapitalvorschriften als international vorgeschrieben brauche, sei auch den Vertretern der beiden Grossbanken bewusst. Selbst ein minimaler Eigenkapitalpuffer im Verhältnis zur Bilanzsumme und nicht nur zu den risikogewichteten Aktiven sei beschlossene Sache, sagt diese Quelle.

Die Verschiebung des Abgabetermins sei einstimmig beschlossen worden und hänge mit den laufenden Arbeiten von «Basel III» zusammen, sagt die Quelle. Falls die Basel-Regulatoren scharfe Vorschriften erlassen würden, sei für den «Swiss Finish» ein geringer Aufschlag ausreichend. Im umgekehrten Fall brauche es hingegen einen deutlich höheren Zuschlag. Abgesehen von den konkreten Zahlen sei der Schlussbericht fertig.

Ein anderes Mitglied der Expertenkommission betont, dass es sich beim Verschiebungsantrag «mit Sicherheit nicht um eine verstärkte Einflussnahme der Banken» handle, sondern um das «echte Bedürfnis der ganzen Kommission, ihren Vorschlag optimal auf die internationalen Entscheide abzustimmen». Dieser Experte zeigt sich zudem optimistisch, dass die Schweiz ein taugliches Grossbankenkorsett erhalten werde. «Ich gehe jedenfalls davon aus, dass sich die UBS und die CS einem Regime unterziehen werden müssen, welches auch im internationalen Kontext als besonders streng gelten wird.»

Die unterschiedlichen Äusserungen könnten ein Indiz für harte Verhandlungen sein. Eingriffe in die Strategie werden aber verneint. «Die Expertengruppe wird keine direkten Grössenbeschränkungen vorschlagen», sagte Kommissionspräsident Siegenthaler dem «Tages-Anzeiger». Und: «Wir wollen auch keine Geschäfte verbieten.»


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