Der Kult um Oswald J. Grübel

Die ganze UBS hat sich auf ihren CEO Oswald Grübel ausgerichtet. Das hilft beim Aufbruch zu neuen Ufern, ist aber riskant – und weckt auch unangenehme Erinnerungen: Die frühere Ausrichtung auf Marcel Ospel bekam der Grossbank gar nicht gut. Handelszeitung, 15. September 2010

Nicht erst seit Bekanntgabe der zahmen Richtlinien Basel III spürt die UBS wieder Aufwind. Bereits am 2. August, kurz nachdem die Bank die Märkte mit einem 2-Mrd-Fr.-Gewinn für das 2. Quartal überrascht hatte, luden CEO Oswald Grübel und sein Schweiz-Chef Lukas Gähwiler ins Zürcher Kaufleuten-Zentrum. Hunderte von UBS-Mitarbeiter und -Managern waren begeistert. «Grübel war extrem witzig, extrem selbstbewusst», sagt Pressechef Peter Hartmeier. Davon soll auch die neue Werbekampagne mit dem Slogan «Wir werden nicht ruhen» zeugen. Sie trägt die Handschrift des obersten Chefs. «Wenn einer von sich sagen kann, er werde nicht ruhen, bis er sein Ziel erreicht hat, dann ist das Grübel», sagt Hartmeier.

Ein Video gibt viel zu reden

Die Kampagne kommt bei vielen Angestellten der Grossbank gut an. «‹Wir werden nicht ruhen› widerspiegelt die Haltung der Mitarbeitenden während der Krise und ihr Verlangen nach einem Bekenntnis der globalen UBS zur Schweiz, zu ihren Kunden und den Angestellten hier im Heimmarkt, wo ein grosser Teil des Geldes verdient wird», begründet Dieter Biegger, Präsident der internen Arbeitnehmervertretung. Viel zu reden gibt ein Video zur globalen Neulancierung. Dieses macht Grübel zum Popstar. Zu sanften Klavierklängen sieht man ihn am Zürichsee und hört seine Stimme im Off: «Ich habe mich oft gefragt, warum? Warum ich? Warum aus dem Ruhestand zurückkehren? Und dann wurde mir klar: Ja, ich muss es tun.» Am Ende schreibt Grübel mit eleganter Feder «Wir werden nicht ruhen» auf eine Karte, quasi als schriftliche Garantie.

Das weckt Erinnerungen. Schon einmal hat der Finanzmulti sein Schicksal von einer einzigen Führungspersönlichkeit abhängig gemacht. Damals war es Marcel Ospel, der erst als CEO und dann als «aktiver» Präsident die Bank allmächtig zu Erfolgen und dann in den Abgrund führte. «Oswald Grübel erklärt sehr vieles zur Chefsache», konstatiert Biegger.

Bei den Investoren käme das offenbar gut an, auch das Management würde ihm ohne zu zweifeln folgen, und selbst die Mitarbeitenden würden Grübels grosse Leidenschaft und seine Leadership-Qualitäten anerkennen. «Aber die Führungsriege weiss, dass sie sich von ihrem starken Chef emanzipieren muss», so Biegger.

Eine Konsequenz der One-Man-Show ist das 200-Mio-Fr.-Sponsoring der UBS in der Formel 1. Als bekennender Fan des Rennzirkus war Grübel wohl die treibende Kraft dafür. In der UBS-Belegschaft ist der Entscheid umstritten. «Viele in der Schweiz können damit nichts anfangen, während unsere asiatischen Mitarbeiter die Formel 1 toll finden», sagt Sprecher Hartmeier. Solche Spagate seien «typisch für die globalisierte Wirtschaftswelt der Schweiz», in der die Schweizer Werte nicht jene der ganzen Welt seien. «Umso wichtiger ist ein starkes Management, das sagt: ‹Mir nach, marsch!›»

Anliegen direkt an den Chef

Seit Grübel das Steuer bei der UBS übernommen hat, fordert er, der unter seinen Initialen OJG bekannt ist, in elektronischen Newslettern die UBS-Mannschaft auf, sich mit Anliegen direkt an ihn zu wenden. Davon wird offenbar reger Gebrauch gemacht – auch wenn offen bleibt, wie viel davon tatsächlich umgesetzt wird.

Doch darum geht es nicht. Entscheidend ist das Gefühl, das Grübel den vom tiefen Fall ihrer Bank gezeichneten Mitarbeitern vermitteln kann. Er signalisiert Interesse an den Sorgen und Ideen der einfachen Angestellten. Hinter der coolen Maske steckt indes ein knallharter Manager. Dass Lukas Gähwiler seinen Job als Schweiz-Chef kriegen würde, teilte Grübel dem früheren Stelleninhaber Francesco Morra am Vorabend der öffentlichen Ankündigung mit. Für solch zwischenmenschliche Nöte auf Top-Level hat Grübel kein Gehör. Für ihn zählt nur der Erfolg, ablesbar am Aktienkurs. Seit seinem Antritt stieg der UBS-Titel von 10 auf über 18 Fr. Das freut nicht nur die Investoren, sondern vermehrt auch Grübels Reichtum. Die 4 Mio Optionen, die er sich als Antrittspräsent aushändigen liess, entsprechen derzeit 32 Mio Fr.

Strategische Weichenstellungen

Wie lange Grübels Absolutismus der Bank hilft, muss sich weisen. In der Akutkrise mit Verlusten, US-Steuerbetrug und demotivierter Mannschaft war sein autoritärer Stil Gold wert. Nun stehen wichtige Fragen an. Bleibt die UBS gross im riskanten Eigenhandel, den Konkurrenten wie die CS und Goldman Sachs heruntergefahren haben? Was macht die Bank mit ihrem grossen US-Onshore-Geschäft von Paine Webber, ein Investment von fast 20 Mrd Fr., das sich nie bezahlt gemacht hat? Wie stark werden hohe Investitionen in die Informatik und andere Infrastruktur in die Zukunft verschoben, um kurzfristig höhere Gewinne auszuweisen?

Grübel dürfte viele strategische Weichenstellungen seinem Nachfolger überlassen. Sein Ziel ist es, dereinst als Vater einer wiedererstarkten UBS abzutreten.


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