Banken können sich behaupten

Komplexes Regelwerk statt einfache Grössenbeschränkung: UBS und CS haben weiterhin Spielraum. Handelszeitung, 6. Oktober 2010

Am Dienstag letzter Woche wählten die Experten den Hintereingang. Die letzte Sitzung zum Problem der überdimensionierten Grossbanken, dem sogenannten «Too big to fail»-Dilemma (TBTF), sollte möglichst geheim bleiben. So traf man sich nicht wie sonst im «Bernerhof», wo der Finanzminister haust, sondern in einem Nebengebäude des Berner Nationalbanksitzes.

Das Treffen selber ging dann einvernehmlich und schnell über die Bühne, berichtet ein Teilnehmer. Das Wesentliche, nämlich die effektive Ausgestaltung des neuen Eigenkapitalkleids, sei zuvor schon fixiert worden, und zwar im Einvernehmen mit den betroffenen Grossbanken.

Neue Soll-Bruchstellen

So kam es, dass Urs Rohner, designierter Präsident der Credit Suisse (CS), und UBS-Stabschef Ulrich Körner, beide Teil der Expertenkommission, ihr Weissweinglas erhoben und den Herren von Nationalbank (SNB) und Finanzmarktaufsicht (Finma) für die gute Zusammenarbeit dankten.

Waren die Regulatoren trotz Jahrhundertkrise und UBS-Steuermilliardenrettung zu soft? «Wir haben die Grossbanken bestimmt nicht geschont», verneint Ernst Baltensperger, emeritierter Professor für Geldpolitik an der Universität Bern und «Too big to fail»-Experte. «Vor allem die Auflagen mit den Zwangswandelanleihen und die organisatorischen Anforderungen im Zusammenhang mit der Notfallplanung machte ihren Vertretern in der Kommission zu schaffen, das empfanden sie als besonders hart.»

Baltensperger ist Leiter des SNB-Ausbildungszentrums Gerzensee und steht als solcher der Notenbank nahe. Diese will das neue Regelwerk als möglichst einschneidend präsentieren. Schliesslich werden die SNB-Chefs dereinst daran gemessen, ob die Auflagen in einer nächsten Krise eine Kernschmelze wie 2008 abwenden können.

Dafür sind nicht nur höhere Kapitalpuffer geplant, sondern auch Soll-Bruchstellen. Gerät eine Grossbank erneut in Schieflage, werden Zahlungsverkehr und Inlandkredite abgespaltet. Der faule Rest wird mit neuem Kapital neu lanciert oder geht ordentlich Konkurs. Das Instrument, das einen unkontrollierten Kollaps verhindern soll, heisst «progressive Komponente» und ist der innovativste Teil des Pakets, das noch durch Bundesrat und Parlament muss. Schmilzt das Kernkapital der UBS oder der CS auf unter 5% der Risiken, wird saniert. Pflichtwandelanleihen, sogenannte «Contingent Convertibles» (CoCos), werden in Aktienkapital umgetauscht. Davon brauchen die beiden Banken ab 2019 insgesamt 6% ihrer Risiken, entsprechend fast 25 Mrd Fr. pro Institut in heutiger Aufstellung.

Nie mehr grosse Risiken?

Die so gewonnene Zeit sei entscheidend, sagt Baltensperger. «Dank den Zwangswandlern steht im absoluten Krisenfall genug hartes Eigenkapital für eine ordentliche Abwicklung zur Verfügung. Damit dürfte ein ‹too big to fail› Geschichte sein.»Das Problem des «Swiss Finish», der international einen ersten Pflock einschlägt, ist das, was die Fachwelt «schwarze Schwäne» nennt: Überraschende Krisenfälle. Die US-Hypothekenpapiere trugen bekanntlich Gütesiegel, sorgten aber wegen ihrer Menge und Komplexität dafür, dass die Märkte einfroren und die Banken auf gigantischen Positionen sitzen blieben.

Damit ist jedes Modell zur Risikobemessung, das auf der Vergangenheit basiert, problematisch. TBTF-Experte Baltensperger ist sich dessen bewusst: «Wir lassen die Banken gross, das stimmt. Aber unsere progressive dritte Stufe schafft starke Anreize, nie mehr allzu grosse Risiken aufzutürmen.»


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