«Wollen wir Gelder, die vor Nazis versteckt wurden, kriminalisieren?»

Privatbankier Konrad Hummler über den Schaden am Finanzplatz und die Führungslosigkeit des Bundesrates. SonntagsZeitung, 7. Februar 2010

Herr Hummler, der Bundesrat denkt schon über den automatischen Informationsaustausch nach. Ein totaler Frontzusammenbruch?

Diese Panik ist Wahnsinn. Was ist schon passiert? Deutschland spricht von 1500 Bankdatensätzen. Ob es die gibt, und wenn, in welcher Qualität, weiss niemand. Trotzdem bringt die Landesregierung von sich aus den Informationsaustausch ins Spiel. Bern hat den Kopf verloren.

Die Regierung sucht den ultimativen Befreiungsschlag.

Den haben wir. OECD 26 ist akzeptiert, wir geben im Einzelfall Auskunft bei Hinterziehung.

Warum also nutzt das der Bundesrat nicht?

Er hat keine kohärente Position. Das macht uns angreifbar und hat zum Dammbruch geführt.

Gegen den UBS-Erstschlag der USA war die Schweiz machtlos.

Die Drohung einer UBS-Schliessung in Amerika war leer. Das wäre wie eine Atombombe auf ein Papierschiffchen gewesen.

Malte die UBS extra schwarz, um sich hinter dem Bundesrat zu verstecken?

Jedenfalls macht das Ende des Steuergeheimnisses den Grossbanken am wenigsten zu schaffen. Die können Schwarzgeld immer noch in Singapur oder sonstwo verstecken.

Wie findet die Schweiz aus der Datenklau- und Erpressungsspirale heraus?

Mir fällt auch nur die Abgeltungssteuer ein. Wer vom automatischen Informationsaustausch schwafelt, hat hingegen keine Ahnung.

Das Hauptproblem sind die 1000 Milliarden Franken unversteuerten Auslandvermögen. Wie entsorgen wir die?

Sicher nicht mittels Verrats. 75 Jahre lang versprachen wir den Kunden absoluten Schutz, um im Jahre des Herrn 2010 ‹April, April› zu rufen. Hier wird die Sache fahrlässig.

Ihre Abgeltungssteuer hilft nicht weiter.

Doch. Wir treiben die Steuern ein, dafür verjähren die Taten des Kunden. So einfach wäre das. Doch offenbar freuen sich dunkle Kräfte über die Kriminalisierung ihrer Bürger. Dabei geht es auch um Vermögen aus den Kriegsjahren. Wollen wir etwa Gelder, die vor den Nazis versteckt wurden, heute kriminalisieren?

Viele Schweizer Banken geloben, nur noch versteuerte Vermögen zu akzeptieren. Sie auch?

Sicher nicht. Ich akzeptiere Amtshilfe bei Steuerhinterziehung, sonst nichts. Nie werde ich bereit sein, den Status eines Steuerzahlers zu überprüfen. Sonst hänge ich den Job an den Nagel.

Liechtenstein macht genau das für England.

Weil es dort kaum englische Kunden gibt. Dieses Abkommen fällt in die Jux-Kategorie.

Die EU drängt auf den gläsernen Bankkunden. Braucht es andere Bundesräte, um das abzuwenden?

Ich bin kein Freund vom Köpferollen. Doch jetzt nimmt die Substanz des Finanzplatzes Schaden, und niemand ganz oben ruft ‹Mannschaft daher, sammeln!›. Damit habe ich allmählich echte Mühe. Statt in Ruhe die Lage zu analysieren, reagiert der Bundesrat wie ein aufgescheuchter Hühnerhaufen.

Das eröffnet Chancen für die Linke: Soll Steuerhinterziehung auch im Inland kriminalisiert werden?

Man kann das wollen, aber es wäre falsch. Unser System der Unterscheidung zwischen Betrug und Hinterziehung hat zu einer sensationell hohen Steuerehrlichkeit geführt.


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