Kritiker erkennen keinen strategischen Wandel

Financier Adriano Agosti drängte bei der Kioskbetreiberin auf operative Fortschritte. Doch Kritiker betonen jetzt, dass sich bei Valora bisher wenig geändert habe. Neu seien nur die Führungsköpfe. Handelszeitung, 8. April 2009
Es wäre an der Zeit, dass der 53-jährige Adriano Agosti bei Valora wieder einmal auf den Tisch klopft. Schliesslich liegen seine Aktien weit unter dem Preis, den er vor anderthalb Jahren für die über 4% am Detailhandelskonzern bezahlt hatte. Damals polterte der Financier in einem Interview: «Zu lange geht es ständig abwärts.»

Einige Schweizer und angelsächsische Investoren klatschten Beifall und halfen Agosti, dessen Verbündete ans Valora-Ruder zu setzen. Doch von da an gings erst recht bergab. Kürzlich schnellte der Kurs zwar auf über 180 Fr., doch damit liegt er immer noch unter den Einstandwerten von Agosti und den übrigen Investoren, die zwischen Sommer und Herbst 2007 zwischen 206 und 330 Fr. pro Valora-Titel bezahlt hatten.

Der Gemischtwarenladen mit Kiosken, Buchhandel, kleinen Lebensmittelshops, Vertrieb von Zeitungen und Distribution von Verpflegungsmarken mit fast 3 Mrd Fr. Umsatz gleicht eben einem langsam agierenden Tanker. «So schnell, wie sich das Agosti gedacht hat, lässt sich bei Valora die Rendite nicht steigern», sagt ZKB-Analyst Marco Strittmatter. «Schon das alte Management hatte von 4% Betriebsgewinn gesprochen und sich daran die Zähne ausgebissen. Und jetzt hören wir die gleiche Zielvorgabe wieder.»

4% Betriebsmarge bis 2012, das entspräche einer Verdoppelung des heutigen Niveaus. Dieses Niveau zu erreichen, mit der Agosti den Machtkampf zu seinen Gunsten entschieden hatte, bleibt vorerst ein Ziel. Agosti, der die frühere Mannschaft stark kritisiert hatte, verteidigt das heutige Management. «Die neue Crew konnte ja erst vor knapp einem Jahr richtig loslegen», sagt er gegenüber der «Handelszeitung». «Meiner Meinung nach ist ein erstklassiger Start gelungen: Es ist beeindruckend, wie schnell eine neue strategische Ausrichtung und die dafür nötigen Schlüsselleute im Management gefunden wurden.»

Investor Gyger: «Kein Neustart»

Von strategischem Wandel kann laut ZKB-Analyst Strittmatter keine Rede sein. «Geändert haben sich vor allem die Köpfe, mit Leuten im Verwaltungsrat, die mehrheitlich über Detailhandelserfahrung verfügen.» Die grundsätzliche Ausrichtung von Valora als kleinflächiger Retailer mit angehängtem Pressehandel sei hingegen immer noch die gleiche.Auch Valora-Grossinvestor Franz Gyger, der Agosti beim Sturz der alten Führung unterstützt hatte, erkennt keinen echten Neuanfang. «Valora steht noch gleich da wie im Herbst 2007.» Die neue Führung habe versprochen, die über 1000 Kioskstellen zu dynamisieren. «Aber die sehen immer noch praktisch gleich aus wie damals», urteilt Gyger.

Gyger plädierte 2007 für einen Verkauf von Valora an die französische Hachette, die vor Agostis Coup Beteiligungsgespräche angeboten habe. Auch mit der finnischen Rautakirja stand die alte Führung in Kooperationsverhandlungen, wie aus Valora-Kreisen zu vernehmen ist. Laut Gyger führe allein ein Schulterschluss «zur nötigen Einkaufsmacht».

Ein rascher Verkauf passte jedoch Agosti nicht ins Konzept. Weil die Valora-Aktionäre vor Jahresfrist nur seine Verbündeten, nicht aber ihn selbst in den VR gewählt hatten, muss der Financier von aussen auf bessere Zeiten hoffen. Davon, dass die Umsetzung von Massnahmen viel zu lange daure, ist keine Rede mehr. «Um die Früchte zu ernten, braucht es Geduld», sagt Agosti heute, und nimmt damit Druck von der Führungsmannschaft.

Deren Hoffnungen ruhen auf einer massiven Ausweitung der Avec-Läden. Das Konzept der kleinen Läden für den Alltagseinkauf an stark frequentierten Lagen mit langen Öffnungszeiten verspricht steile Wachstumsraten. Und einen harten Konkurrenzkampf. Für Valora hat sich die Ausgangslage seit dem Führungswechsel kaum verbessert. Als CEO Peter Wüst von Bord ging, nachdem bis auf eine Person der ganze VR ausgewechselt worden war, kündigte Migros letzten Sommer die Zusammenarbeit mit Avec und will bis Mitte 2010 über 160 Migrolino-Shops vornehmlich an Shell-Tankstellen betreiben.

Das Tempo überfordert die viel kleinere Valora. Sie plant 100 Standorte, mehrheitlich an SBB-Lagen, wo sie bestehende Kioske in Kleinshops umwandelt. Dafür braucht sie 10 Mio Fr. der für die Restrukturierung zurückgestellten 25 Mio Fr. auf. Wie weit die Mittel reichen, wird sich weisen.

Valora-VR: Bezüge erhöht

Persönlich geht die Rechnung für die neuen Valora-Chefs auf. Verwaltungsratspräsident Rolando Benedick hat die Aktienbeteiligungspläne für den VR abgeschafft, dafür die Bezüge für die obersten Aufseher des Konzerns erhöht. Während Benedicks Vorgänger Fritz Ammann 2007 für elf Monate knapp 200000 Fr. bezogen hatte, erhielt Benedick im Folgejahr für dieselbe Zeitspanne 434000 Fr. Benedick erklärt den Sprung mit «interimistisch zusätzlichen Aufgaben».


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