Darf die Finma einer Firma ins Steuer greifen?

Finma-Präsident Eugen Haltiner begründete die Herausgabe von 255 US-Kundennamen mit der Existenzgefahr für die UBS. Ob sein Entscheid rechtens war, prüft nun das Bundesverwaltungsgericht. Wortführende Juristen freuen sich über das beherzte Einschreiten der Richter. Handelszeitung, 6. Mai 2009

Ein guter Pressesprecher versteht die Kunst des Herunterspielens. So wie Alain Bichsel von der Finanzmarktaufsicht (Finma). «Es war davon auszugehen, dass sich das Gericht unser Vorgehen bei der UBS-Datenherausgabe näher anschauen würde», sagt er. Das sei rechtsstaatlich «völlig ok». Nur kein zusätzliches Öl ins Feuer giessen, lautet die Devise in Fällen mit grosser Sprengkraft. Dass es sich für die oberste Bankenaufsicht und eine der mächtigsten Behörden des Landes um einen solchen handelt, ist seit letzter Woche endgültig klar. Die zuständige zweite Kammer des Bundesverwaltungsgerichts hat beschlossen, die Rechtmässigkeit der Datenherausgabe zu überprüfen. Es geht um den Entscheid der Finma von Mitte Februar, 255 US-Kunden der UBS an die amerikanische Steuerbehörde auszuliefern, dabei das Recht auf Rekurs auszuhebeln und das Bankgeheimnis zu schwächen. Unter den «ausserordentlichen Umständen» sei das Vorgehen «rechtmässig» gewesen, wiederholt Finma-Sprecher Bichsel frühere Erklärungen.

Richter wollen mehr Mitsprache

Formell argumentieren die Richter, die Finma könne bei einer nächsten Gelegenheit wieder gleich entscheiden. Da dies für die Schweiz von grosser Bedeutung sei, sei eine juristische Prüfung der Rechtmässigkeit angezeigt, selbst wenn die erste Datenherausgabe bereits Geschichte ist. Die Kernfrage lautet: Kann die Finma unter Berufung auf einen Paragraphen im Bankengesetz, der für andere Fälle gedacht war, kurzzeitig das Steuer der UBS übernehmen, um die Herausgabe von Daten zu verordnen, welche durch das Bankgeheimnis geschützt sind?

Der Basler Rechtsprofessor Urs Behnisch, der für einige der betroffenen US-Kunden tätig ist und in einem Gutachten die Datenherausgabe als widerrechtlich bezeichnete, freut sich über den Eintretensbeschluss des obersten Gerichts. «Spannend ist, dass sich die Richter überhaupt einmischen», sagt Behnisch. «Vordergründig gehts nur um die Frage der Rechtmässigkeit. Aber implizit sagen sie, dass sie über die zukünftige Amtshilfe mitentscheiden wollen.»

Laut Behnisch hätten die UBS-Kunden Steuern hinterzogen, aber keinen Betrug begangen. Daran ändere auch der Status der UBS als Qualified Intermediary der US-Steuerbehörden nichts. Eine Verletzung innerhalb des Vertrauensdreiecks Bank-Kunde-Steuerbehörde bedeute längst nicht, die US-Behörden arglistig getäuscht zu haben, wie dies ein Betrug voraussetzen würde, sagt Behnisch.

Wichtiger als die Frage Steuerhinterziehung oder -betrug sei jedoch die Gefahr sogenannter «fishing expeditions». Gemeint ist die Jagd ausländischer Steuerbehörden auf Kunden von Schweizer Banken ohne konkreten Anfangsverdacht. Dafür brauche es dringend klare Regeln, und hier könnten die Richter mit ihrer materiellen Würdigung des Finma-Entscheids von Februar einen Weg aufzeichnen, hofft Behnisch. «Das Thema OECD-Standard ist geklärt», sagt er. Offen blieben die Anforderungen an ein Amtshilfegesuch. «Das sollte per Gesetz und nicht durch Beamtenbeschlüsse geregelt werden, sonst könnte das Bankgeheimnis in Steuersachen bald gänzlich sterben.» Ein Entwurf liege seit Jahren bereit und müsste vom Parlament lediglich aktualisiert werden.

«Finma macht keinen guten Job»

Ein zweiter Rechtsgelehrter, der Berner Wirtschaftsrechtsprofessor Peter V. Kunz, freut sich ebenfalls über die aktiven Richter. «Normalerweise laden sich Schweizer Gerichte keine Zusatzarbeit auf.» Der Entscheid habe ihn deshalb überrascht, sagt Kunz. «Das Gericht überzeugt mich bisher in dieser Geschichte am meisten, Bundesrat und Finma hingegen machen keinen guten Job.»

Der Finma mit Präsident Eugen Haltiner an der Spitze, einem Ex-UBS-Generaldirektor, droht nun jedenfalls Ungemach. «Ein Entscheid gegen die Bankenaufsicht und den Bundesrat wäre der schlimmstmögliche Fall und würde der Strafanzeige gegen die Finma-Spitze und möglichen Schadenersatzklagen gegen die Schweiz Auftrieb geben», sagt Ordinarius Kunz.

Die Frage, was seinem obersten Chef bei einer richterlichen Verurteilung blühe, lässt Finma-Sprecher Bichsel offen. «Wir sind keine Anstalt für Zukunftsforschung», sagt er mit ironischem Unterton. Will heissen: Die Finma, die Schweres zu entscheiden hat, muss mit Prügeln leben. Wird die Behörde dereinst gerügt, hat Sprecher Bichsel kommunikativ das Feld bereits beackert.


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