Birkenfeld blieb ins System verstrickt

Der frühere UBS-Berater Bradley Birkenfeld lieferte den US-Behörden die entscheidenden Hinweise über die Machenschaften der Grossbank. Jetzt klärt ein Gerichtsprotokoll, warum der Informant dennoch hart bestraft wurde: Birkenfeld beriet nach seinem Geständnis weiter Steuerhinterzieher. Handelszeitung, 14. Oktober 2009

Vor zwei Monaten stand UBS-Kundenberater Bradley Birkenfeld (44) in Fort Lauderdale im US-Sonnenstaat Florida vor dem Richter. Dem Mann, der die UBS-Offshore-Praxis zwei Jahre zuvor ans Licht gezerrt hatte, drohten zweieinhalb Jahre Gefängnis.

Nun macht das veröffentlichte Protokoll der Verhandlung vom 21. August deutlich, warum US-Chefankläger Kevin Downing den Whistleblower anklagte – obwohl der Ankläger ihm die Informationen über Tausende von US-Steuersündern zu verdanken hat. «Wäre es nur um die Mithilfe von Herrn Birkenfeld für dessen US-Kunden gegangen, hätten wir ihn kaum belangt», sagte Downing, mit Bürstenschnitt und lauter Stimme an den Ex-Navy-Elitesoldaten erinnernd. «Doch Herr Birkenfeld liess uns über seine eigene Rolle im Dunkeln und führte uns auf eine Spur, die zuletzt sein eigenes Tun entlarvte. Deshalb sind wir hier, deshalb klagten wir ihn an, deshalb hat er gestanden.»

Sogar 40 statt 30 Monate

Das Gericht verurteilte Birkenfeld schliesslich zu 40 statt den geforderten 30 Monaten, Haftantritt ist spätestens Anfang 2010. Für Richter William Zloch ist Birkenfeld ein Wiederholungstäter. Der Vermögensverwalter hatte nach seinem Ausscheiden bei der UBS Kunden weiter darin beraten, wie sie Steuern umgehen können, allen voran den Exil-Russen Igor Olenicoff. Besonders verstimmt hat den Gerichtsvorsitzenden, dass Birkenfeld sogar nach seinem Schuldeingeständnis die Finger nicht von heiklen Geschäften lassen konnte.

Trotz dieses Verdikts machen sich renommierte Stimmen für den «David» im Kampf gegen die weltweiten Steueroasen stark. Für sie ist Birkenfeld der wichtigste Whistleblower seit Jahren. Whistleblower sind Mitarbeiter oder andere Insider, die irreguläre oder gar illegale Praktiken aufdecken.

«Kein Wunder, gab es bisher nur Birkenfeld, der die Schweizer Banken kritisierte», zitierte das US-Magazin «Time» letzte Woche Steueranwalt Dean Zerbe, der Birkenfeld bei seiner Kooperation mit den amerikanischen Steuerbehörden vertritt. «Mit ihrer Haltung sorgt die US-Regierung dafür, dass in Zukunft niemand mehr über Steuerbetrügereien im grossen Stil auspackt.»

Auch Ankläger Downing betonte im Prozess Birkenfelds herausragende Rolle im Fall UBS. «Wäre Mister Birkenfeld im Sommer 2007 nicht zu unserer Tür hereingekommen, hätten wir dieses massive Betrugssystem kaum jemals aufgedeckt. Und mehr noch, die Schweiz musste mit neuen Steuerabkommen reagieren, mit denen die USA an völlig neue Informationen herankommen.»

Eine andere Optik haben viele Schweizer Bankiers, die das alte Steuerhinterziehungsmodell gerne noch lange betrieben hätten. Für sie ist Birkenfeld ein Verräter, der einem das Geschäft vermiest hat. Birkenfeld hatte ab Mai 2005 die UBS-Verantwortlichen vor den Praktiken gewarnt und im März 2006 schliesslich den damaligen Konzernanwalt Peter Kurer darüber informiert.

Kurer gab im Mai 2006 in einem Antwortbrief an Birkenfeld Entwarnung. Eine Untersuchung habe kleinere Vergehen hervorgebracht. Der Chefjurist versprach eine Einigung beim Bonus, den Birkenfeld vor Arbeitsgericht erstreiten wollte. Die UBS bezahlte zuletzt rund 500 000 Dollar.

UBS: Fall ist erledigt

Die Grossbank sagt heute, der Fall zeige, dass Mitarbeiter, die intern Anzeige erstatten wollten, dies in einem geordneten Prozess tun könnten. «Der Whistleblowing-Prozess hat im Fall Birkenfeld funktioniert und entsprechende Untersuchungen wurden eingeleitet», sagt Sprecher Dominique Gerster auf Anfrage.

Grundlage für das Whistleblowing ist der Sarbanes-Oxley Act (SOX) von 2002 im Nachgang zu Buchhaltungsfälschungen. Für in den USA kotierte Unternehmen wie die UBS ist SOX verbindlich. Das Whistleblowing-Prozedere soll auch künftig uneingeschränkt in Kraft bleiben, sagt UBS-Sprecher Gerster. «Wir unterstützen diese Vorschrift vollumfänglich und haben die notwendigen internen Prozesse umgesetzt.»

Derweil bleibt Birkenfeld die Hoffnung, dass sich sein Rachefeldzug monetär bezahlt machen könnte. Whistleblower können in den USA mit bis 30% der Summe belohnt werden, die dank ihrer Anzeige in die Staatskasse fliessen.
Das US-Steueramt hat diese Woche von 4000 Selbstanzeigen von US-Steuerpflichtigen gesprochen. Würden zuletzt Dutzende oder gar Hunderte von Millionen geschuldete Steuerdollars das US-Defizit verkleinern, wäre Birkenfeld wenigstens finanziell ein gemachter Mann.


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