«Dubai ist schon lange pleite»

Mike Bär , Gründer der Bank Baer Capital, über die ersten Anzeichen des Dubai-Debakels, die Schuldigen und den Worstcase. SonntagsZeitung, 29. November 2009

Herr Bär, wann merkten Sie, dass Dubai in Schieflage gerät?

Im Frühling war es offensichtlich: Bauarbeiter wurden fristlos entlassen und mussten fluchtartig das Land verlassen. Die Flugzeuge nach Dubai waren leer, die Hotels wie ausgestorben, die Bauaktivität kam zum Stillstand. Im Herbst zog aber das Geschäft interessanterweise wieder an.

Rechneten Sie mit einem solchen Crash?

Ja. Dubai ist schon lange pleite. Es hat seit langem keinen Cash mehr. Das wussten alle. Baufirmen zahlten nicht mehr, Staatsfirmen liquidierten Vermögenswerte, Investoren suchten den Exit. Die 80 Milliarden Dollar Ausstände der drei grossen Staatsholdings bilden nur die Spitze des Eisberges. Alle offenen Rechnungen der ganzen Wirtschaft könnten ein Mehrfaches sein.

Wer ist schuld am Debakel?

Scheich Mohammed hat eine Vision zum Leben erweckt. Aber die Manager seiner Staatsholdings hatten die Situation nicht mehr im Griff. Zudem stiegen die Ansprüche: Nur noch das Grösste, Teuerste, Verrückteste war gut genug. Vor zwei Jahren bestellte das Land 200 Airbus.

Warum war die grosse Welt trotzdem noch bis Donnerstag vom Erfolg Dubais überzeugt?

Weil Mohammed trotz allem vieles richtig gemacht hat. Ohne viel Öl hat er ein blühendes Finanz- und Infrastrukturzentrum mitten in die Wüste gepflanzt. Eines kam zum anderen: Anfänglich jetteten die Ausländer von Bahrain nach Dubai, weil es dort einen schönen Golfplatz gab. Dann kamen der Flughafen und die eigene Airline hinzu, später das Finanzzentrum und dann die tollen Hotels, Ferienresorts und Geschäftshäuser. Was der Scheich berührte, wurde zu Gold – zum Grossteil aber fremdfinanziert.

Wie sieht der Worstcase aus?

Höchstwahrscheinlich wird Abu Dhabi Dubai finanziell retten oder zumindest unterstützen. Die Frage ist nur, zu welchem Preis. Ich erwarte eine Rückkehr zu einem moderateren Auftreten von Dubai. Das liberale Dubai ist den Herrschern der umliegenden Emirate und Staaten ein Dorn im Auge. Verschärfungen machen sich bereits bemerkbar. Beispielsweise erhalten ausländische Immobilienkäufer seit Frühling nur noch eine dreimonatige statt eine mehrjährige Aufenthaltsbewilligung. Die Gesetze von Abu Dhabi könnten bald also auch für Dubai Geltung haben.

Welche Investoren trifft der Dubai-Crash am härtesten?

Vor allem die lokalen Banken haben die Party massgeblich finanziert. Aber ihre Ausfälle dürften sich in Grenzen halten. Ich sehe keine gefährlichen Klumpenrisiken in den Bilanzen. Verhältnismässig härter gerät die Bauindustrie unter die Räder. Betroffen sind auch Schweizer Baufirmen.

Bleiben Sie mit Ihrer Bank Baer Capital in Dubai?

Ja. Unsere Dubai-Lizenz ist für Indien und England gültig, wo wir hauptsächlich investieren und arbeiten. Das leichte Geld der Dubai-Investoren wird ausbleiben. Doch flüssige Mittel hat es in den übrigen Emiraten wie auch in den Nachbarstaaten genug.


Einen Kommentar schreiben