Strukturierte Probleme

Bewertungsverluste führten bei Bank Vontobel zu Abgängen im Verwaltungsrat. SonntagsZeitung, 14. Dezember 2008

Die Zürcher Privatbank Vontobel profitiert vom Image eines seriös geführten Geldinstituts mit wenig Risiken. Ihr 92-jähriger Patron Hans Vontobel , der über seine Familienstiftung die Firma kontrolliert, verstärkt diesen Ruf. In Tat und Wahrheit ist Vontobel zu einem grossen Obligationen-Hedge-Fund geworden, der in der Finanzkrise unter Druck gerät.

Vontobel hat in den letzten Jahren im grossen Stil strukturierte Obligationenprodukte emittiert und mit Optionen aufgepeppt, um höhere Renditen zu erzielen. Dank grosser Nachfrage spülte das viel Geld ins Haus, welches die Bank im Kapitalmarkt anlegte. Dieses Geschäftsmodell ist offenbar umstritten.

Der Chef des für den Jahresabschluss zuständigen Audit Committee im Vontobel -Verwaltungsrat, Hans Caspar von der Crone, trat diese Woche per sofort zurück, nachdem die Bank sein Mandat nicht erneuern wollte. Von der Crone spricht von «Konflikt», den er nicht öffentlich ausbreiten will. Zwei weitere Verwaltungsräte gaben gleichzeitig ihren Rücktritt bekannt. Vontobel -Sprecher Jürg Stähelin sagt: «Es versteht sich von selbst, dass in einer solchen Marktphase intensive Diskussionen im Rahmen der normalen VR-Tätigkeit stattfinden. Wie in jedem VR sind inhaltliche Fachdiskussionen selbstverständlich und Pflicht. Von einem Konflikt kann aus unserer Warte keine Rede sein.»

Das Kernproblem der geölten Strukturierten-Maschine ist, dass die Kundengelder nicht nur in ausfallsichere Staatspapiere investiert wurden. Um die versprochene Mehrrendite zu erzielen, brauchte es Anlagen in riskanteren Unternehmensanleihen. Weil deren Kurse eingebrochen sind, muss Vontobel entsprechend abschreiben. Mitte Jahr entfielen von 19 Milliarden Franken Bilanzsumme 7,5 Milliarden auf «andere finanzielle Vermögenswerte zu Fair Value», gemeint sind hauptsächlich festverzinsliche Obligationen.

Um die Verluste abzufedern, greift Vontobel zu einer gemäss Buchhaltungsstandard IFRS erlaubten Aufwertung. Weil die Finanzkrise die Zürcher Bank zu einer riskanteren Gegenpartei macht, haben deren Verpflichtungen gegenüber Dritten ebenfalls weniger Wert. Ende Juni passte Vontobel ihr Bewertungsmodell entsprechend an und verbuchte so einen Gewinn von 20 Millionen Franken, 17 Prozent des Halbjahresgewinns.

Gewinnrückgang verschärft durch Strukturierten-Einbruch

Wie viel aber will Vontobel in Zukunft noch aufwerten, um den absehbaren Gewinneinbruch abzuschwächen, lautet die zentrale Frage. «Bevor ich zu Vontobel kam, habe ich die Bilanz genau studiert», sagt dazu Finanzchef Martin Sieg , Ex-ZKB. «Danach habe ich gut geschlafen. Sie ist sehr sicher, sehr diversifiziert, sehr professionell gemanagt.»

Nicht ins Bild passt die von mehreren Seiten bestätigte Aussage, dass der Abgang von der Crones wegen Bewertungsfragen erfolgte. Möglicherweise drängte dieser darauf, die Bilanz wie bisher konservativ zu bewerten, statt stille Reserven anzuzapfen, was der Regulator erlaubt, aber die Bank anfälliger macht. Der Gewinnrückgang wird verschärft durch den Einbruch bei den Strukturierten, die bisher den Löwenanteil des Gewinns ausmachten.

Die buchhalterische Aufwertung hat auch einen Bezug zur Managerlohndebatte. Gemäss Anlagestiftung Ethos machte die Entschädigung von VR und Gruppenleitung um CEO Herbert Scheidt über 11 Prozent des Reingewinns 2007 aus, bei CS und Julius Bär sind es 2,4 Prozent. Je tiefer der Gewinn, desto ausgeprägter das Missverhältnis bei Vontobel.


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