Sie schlugen die Warnung in den Wind

Die UBS-Private-Banker unterschätzten das Risiko im US-Offshore-Geschäft. SonntagsZeitung, 16. November 2008

Die UBS-Spitzenleute Marcel Rohner, Raoul Weil und weitere Topshots der Grossbank wussten seit spätestens 2001 um die Gefahren im US-Offshore-Geschäft. Das geht aus einem Antrag für ein Meeting von November 2001 hervor, welcher der SonntagsZeitung vorliegt.

Anwesend an der Sitzung waren neben Rohner und Weil der damalige Private-Banking-Chef Georges Gagnebin als Vorsitzender des Gremiums, Stephan Haeringer, Leiter der Schweizer Vermögensverwaltung, und Martin Liechti, zuständig für das Amerika-Offshore-Geschäft. «Proposal to the Business Committee» des UBS Private Banking war das Dokument überschrieben, und es riet zu einer vorsichtigen Gangart im US-Offshore-Banking. Die UBS sei durch den Kauf von Paine Webber im Jahr 2000 eine grosse US-Bank geworden und habe als Qualified Intermediary (QI) einen Status, der die Bank in den USA neuen Risiken aussetze.

Ein Kritiker der damaligen Offshore-Praxis schlug Kursänderungen vor. «Drosseln, Aktivitäten reduzieren Richtung vollständiger Rechtskonformität und/oder Aufbau eines unabhängigen Anbieters ohne direkten UBS-Bezug», lauteten die Vorschläge des UBS-Managers, der die Bank kurz darauf verliess. Er will keine Stellungnahme abgeben.

Die US-Justiz nimmt erstmals ein Führungsmitglied ins Visier

Martin Liechti, der im Frühling von den US-Behörden in Miami während Wochen festgehalten wurde, war am Meeting anderer Meinung. Das klassische Offshore-Geschäftsmodell müsse in den USA nicht aufgegeben werden, soll er laut UBS-Quellen gesagt haben.

Die UBS will sich nicht zur Sitzung äussern. Offensichtlich folgte die Führungscrew des UBS-Private Banking dem «Proposal» nicht. Jedenfalls stand die Bank auch nach 2002 nicht auf die Bremse.

Mit der am Mittwoch bekannt gegebenen Anklage gegen Raoul Weil nehmen die US-Justizbehörden in den seit Monaten laufenden Steuerermittlungen erstmals ein Mitglied des obersten Führungsgremiums ins Visier. Gemäss Anklageschrift verheimlichten rund 17 000 US-Kunden ihr auf der UBS gehaltenes Vermögen. Die Bank habe vielen Kunden geholfen, Einkünfte vor dem Fiskus zu verstecken.

Die Busse könnte über eine Milliarde Dollar kosten

Von 2002 bis und mit 2007 habe die UBS jährlich rund 200 Millionen Dollar im US-Offshore-Geschäft verdient. Beobachter spekulieren über eine Busse in Höhe der gesamten Einnahmen von über einer Milliarde Dollar.

Weil und andere UBS-Manager hätten den US-Behörden die Einhaltung der QI-Auflagen versprochen, obwohl sie «wussten, dass ihr US-Offshore-Geschäft anders betrieben wurde, als es das Abkommen vorsah», behaupten die Ankläger. Weils US-Anwalt Aaron Marcu sagt: «Die Anklage ist völlig ungerechtfertigt und ohne jede faktische Grundlage.»

Die US-Justiz erhöht den Druck auf die UBS, Namen und Daten ihrer US-Kunden herauszugeben. Ohne gegen Schweizer Recht (Bankgeheimnis) zu verstossen, kann dies die UBS aber nur in Fällen von Steuerbetrug tun. Sie will die Daten von etwa 250 Kunden via Amtshilfe herausgeben.

Das scheint den USA nicht zu genügen. Das US-Rechtssystem gibt dem Ankläger weitreichende Möglichkeiten, Unternehmen unter Druck zu setzen – unabhängig von der Beweislage. Das gilt erst recht für die von der Finanzkrise geschwächte UBS.


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