Kunden für den Staatsanwalt

Die UBS will sich mit einer juristischen Finesse und der Aushändigung von einzelnen Kundendaten dem Zugriff der US-Justiz entziehen. SonntagsZeitung, 8. Juni 2008

Zum Wochenende hin zeichnet sich der Weg ab, den die Schweizer Grossbank UBS in den USA gehen will, um eine drohende Klage wegen Beihilfe zur Steuerhinterziehung abzuwenden. Ein hochrangiger Mitarbeiter in den USA sagte, seine Bank werde dem US-Justizdepartement Daten von Kunden aushändigen, welche «wir auch nach Schweizer Recht offen legen können».

Betroffen seien nur «wenige Kunden», sagte die UBS-Quelle, die anonym bleiben will. Die genaue Zahl würde den Behörden mitgeteilt. Am Freitag hatte die «New York Times» mit Verweis auf US-Beamte von 20 000 US-Kunden geschrieben, die mehr als 20 Milliarden Dollar Schwarzgeld bei der UBS in der Schweiz hielten. Laut einem UBS-Mann in Zürich stimmten Kundenzahl und Vermögenshöhe, dass es sich dabei vor allem um Schwarzgeld handle, sei allerdings «Quatsch».

Die Bank versucht mit einer juristischen Finesse, die US-Ermittlungen rasch zu beenden, ohne das Bankgeheimnis zu verletzen. Die UBS wolle einen scharfen Trennstrich zwischen Steuerhinterziehung und Steuerbetrug ziehen, sagt der UBS-Manager in den USA. Hinterziehung ist für die Schweiz ein Kavaliersdelikt, in den USA droht Gefängnis. Den schmalen Grat zwischen Vergehen und Betrug soll ein Formular mit der Bezeichnung «W9» weisen. Alle US-Bankkunden müssen es unterschreiben, falls sie US-Wertschriften kaufen wollen. Damit ermöglichen sie die automatische Steuerdeklaration in den USA.

Auch die Berner Behörden wollen eine rasche Lösung

Offiziell will die UBS ihre Krisenstrategie nicht kommentieren, gibt aber zwischen den Zeilen einen entscheidenden Hinweis. «UBS hält sich in diesen Untersuchungen an schweizerisches und amerikanisches Recht», sagte am Freitag Sprecher Serge Steiner. Mit einer Aussonderung von Steuerbetrügern unter ihrer US-Kundschaft genügt die Bank diesen Anforderungen.

Die Schweizer Behörden, die das Vorgehen mit den Amerikanern absegnen müssten, zeigen sich kooperativ. «Alle sind an einer raschen Lösung interessiert», sagt Dieter Leutwyler vom Finanzdepartement in Bern auf Anfrage. «Wir können aber den gesetzlichen Rahmen nicht sprengen.»

Eine überraschende Wende im Fall könnte auf eine baldige Lösung hindeuten. Der auf morgen Montag angesetzte Prozess gegen einen ehemaligen UBS-Vermögensverwalter wurde sistiert. Der 43-jährige Amerikaner Bradley Birkenfeld ist wegen Beihilfe zur Steuerhinterziehung angeklagt. Birkenfeld hatte einem Gericht in Florida versprochen, Geschäftspraktiken seiner früheren Arbeitgeberin offen zu legen.

Birkenfelds Anwalt Danny Onorato hatte angekündigt, dass sein Klient ein Verbrechen gestehen werde, um milder bestraft zu werden. Auf die Frage, ob es einen Deal mit den Behörden gebe, die Informationen gegen die UBS sucht, sagt Onorato: «Ja, es gibt einen Deal, aber wir kennen das Resultat noch nicht.» Wird Birkenfeld also Namen von UBS-Kunden bekannt machen? «Das ist vertraulich.»

Die Offenlegung von Namen durch die UBS selbst wäre lediglich eine Schadensbegrenzung. Die UBS zählt mit 30 000 Mitarbeitern zu den grossen US-Banken. Nach 37 Milliarden Dollar Verlust mit Ramschhypotheken steht sie derzeit geschwächt da. Zudem drohen Reputationsschäden im Kerngeschäft Vermögensverwaltung, eine hohe Busse und Abgänge verängstigter Kunden. Zudem fehlen Gewinne von weit über 100 Millionen Franken jährlich aus dem US-Offshore-Geschäft, das die Bank im November eingestellt hatte.

Birkenfeld soll ein für die UBS heikles Dossier angelegt haben

Offen ist die Zukunft der obersten Verantwortlichen. Seit sechs Wochen sitzt UBS-Generaldirektor Martin Liechti in einem Hotel in Miami fest. Der Mittfünfziger muss sich für Befragungen bereithalten. Ob die Amerikaner seinen Kopf fordern werden, ist ungewiss. Klar ist aber, dass Liechti selbst keine Kundendaten bekannt geben wird.

Der für das Nord- und Südamerikageschäft zuständige Manager kenne alle Kunden mit Vermögen über 50 Millionen Franken persönlich, behauptet ein ehemaliger Mitarbeiter. Bisher gibt es keine Hinweise darauf, dass Liechti Igor Olenicoff – den eigentlichen Auslöser des Falls – getroffen hat.

Die US-Steuerbehörden ermittelten gegen Olenicoff, einen Immobilien-Tycoon, nachdem dieser nur einige Zehntausend Dollar versteuert hatte. Sie stiessen auf eine Schwarzgeldkonstruktion in Zürich und Liechtenstein, die Berater Birkenfeld und sein Vertrauter Mario Staggl errichtet hatten. Staggl soll auch für die Vaduzer LGT-Gruppe tätig gewesen sein. Weitere Hinweise könnten die US-Ermittler somit auf jener CD finden, die ihre deutschen Kollegen einem früheren LGT-Mitarbeiter für vier Millionen Euro abgekauft hatten. Wahrscheinlicher ist aber, dass die US-Behörden bereits vorher in den Besitz der vertraulichen Kundendaten gekommen waren.

Ein Dossier, das Birkenfeld laut Ex-UBS-Kollegen angefertigt hat, könnte Liechti und der Bank gefährlich werden. Birkenfeld soll das «Qualified Intermediary»-Abkommen und das «Country Paper» USA kopiert haben, zwei Dokumente, welche die Betreuung von US-Kunden stark einschränken. Ausserdem soll Birkenfeld ein Schreiben seines Ex-Chefs Liechti besitzen, in dem dieser bis zu 60 Millionen Dollar Neugeld von seinen US-Beratern verlangt. Birkenfeld kritisierte diesen Widerspruch UBS-intern, bevor er im Herbst 2005 die Bank verliess, und drohte mit einem Prozess. Die UBS zahlte Birkenfeld darauf mehrere Hunderttausend Franken. Nun könnte Birkenfeld die UBS und Liechti mit seinem Dossier in die Enge treiben.


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