Konsequenzen aus dem Swissair-Flop

Zürcher Staatsanwaltschaft für Wirtschaftsdelikte wird auf mehr Effizienz bei grossen Verfahren getrimmt. (SonntagsZeitung, 30. März 2008)

Die missratene Anklage gegen die früheren Swissair-Chefs wird bei der Zürcher Staatsanwaltschaft für Wirtschaftsdelikte zum Wendepunkt. Ein praxiserprobter Chef soll die Abteilung neu ausrichten, verspricht der zuständige Oberstaatsanwalt Andreas Brunner. «Grosse Strafverfahren sollen inskünftig vermehrt als von der Leitung der Amtsstelle gesteuerte Projekte geführt werden», sagt er. Neben der Ressourcenzuteilung sei auch wichtig, dass von Anbeginn der Untersuchung stets mit einer Anklagethese gearbeitet wird, «die es laufend zu überprüfen und anzupassen gilt».

Die Konsequenz aus dem Swissair-Flop: Der bisherige Leitende Staatsanwalt Christian Weber geht vorzeitig in Pension. Sein Nachfolger ist bereits bestimmt und wird demnächst vorgestellt.

Die jahrelange Swissair-Untersuchung mit über 4000 Bundesordnern hat bei Brunner zur Erkenntnis geführt, dass ein Neuanfang bei der Wirtschafts-Staatsanwaltschaft unumgänglich ist. Fünf Jahre Ermittlungen bis zur Anklage sind zu lange. Sämtliche vor Gericht gezerrten Verwaltungsräte, Topmanager und Revisoren wurden zuletzt freigesprochen.

Im Fall Swissair scheinen sich die Zürcher Staatsanwälte verirrt zu haben. Nach ihrer Niederlage im ersten Strafrechtsprozess im letzten Juni setzten sie ihre Hoffnungen auf ein neues Gutachten, um doch noch zum Erfolg zu kommen.

Doch just die Auftragnehmer könnten nun die zentrale These der Verfolger umstürzen. «Das Gutachten von Balmer-Etienne verneint eine Überschuldung des Swissair-Konzerns, der Holding oder einzelner Töchter bis kurz vor dem Grounding», bestätigt Alexander Fleischer, Sprecher der Swissair-Revisionsgesellschaft PricewaterhouseCoopers (PWC), gegen die ebenfalls ermittelt wird.

Der frühere Gutachter der Staatsanwaltschaft, der Berater Aldo Schellenberg, hatte dagegen den Zeitpunkt der Überschuldung der Swissair auf Ende 2000 gelegt, neun Monate vor dem Kollaps. Das Gericht hatte Schellenbergs Überlegung als «nicht nachvollziehbar» kritisiert.

Der Abschluss der zweiten Swissair-Welle, in deren Zentrum das neue Gutachten von Balmer-Etienne steht, verzögert sich um Monate. «Wir entscheiden Ende Mai, ob wir die Swissair-Verantwortlichen nochmals vor Gericht ziehen oder ob wir den Fall einstellen», sagt Christian Weber. «Eine dritte Welle wird es definitiv nicht geben.» Untersucht werden angeblich kriminelle Machenschaften rund um die Übernahmen ausländischer Airlines und Bankkredite, die gegen eigene Aktien gewährt wurden.

In Verteidigerkreisen spricht man von Geplänkel. Die Staatsanwaltschaft habe vor Wochen mitgeteilt, dass ihre Klienten für Einvernahmen nicht mehr bereit stehen müssten. «Die sollen anklagen oder einstellen, etwas dazwischen gibt es nicht», sagt ein involvierter Rechtsanwalt.


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