Im Ausland leben Schweizer Banker zunehmend gefährlich

Bern bemüht sich bisher erfolglos, Martin Liechtis Ausreise zu ermöglichen. (SonntagsZeitung, 25. Mai 2008)

Am liebsten habe UBS-Generaldirektor Martin Liechti seine Kunden mit einem Vermögen von 100 Millionen in Lateinamerika besucht, sagt ein früherer Mitarbeiter des Managers. Die USA, für die der Karrierebanker ebenfalls zuständig ist, habe er hingegen eher gemieden. Vielleicht ahnte er schon vor seiner Verhaftung vor Monatsfrist, dass er im Norden Amerikas gefährlich lebte.

Doch auch von Brasilien , das heute zu den lukrativsten Private-Banking-Plätzen der Welt zählt, musste Liechti befürchten, dass er ins Visier der Ermittler geraten würde, behauptet der Ex-Mitarbeiter. Liechti , Mitte 50 und vor zwei Jahren Vater von Drillingen geworden, habe einen Tipp bekommen und das Land im Privatjet eines Kunden verlassen.

Es deutet einiges darauf hin, dass Liechtis Ausreise mit der Grossrazzia in Brasilien von letztem Herbst zusammenhängt. Am 6. November 2007 gab die brasilianische Bundespolizei den Startschuss für «Kaspar 2». In der zweiten von insgesamt drei Verhaftungsaktionen, der «Operation Schweiz», die im März 2006 begann, inhaftierte die Polizei 20 Kundenberater von UBS, Credit Suisse, Clariden Leu und des US-Versicherungskonzerns AIG. 44 weitere befanden sich auf der Flucht. Vor einem Monat erhoben die Ermittler Anklage gegen 17 Banker, davon 13 von der Credit Suisse. Ihnen wird Geldwäscherei sowie Mithilfe zu Steuerhinterziehung vorgeworfen (siehe Kasten).

Polizeioperation hielt ihn nicht von einem Brasilien-Besuch ab

Die Ermittler hatten im Rahmen von «Operation Schweiz» monatelang die Telefonate von verdächtigen Personen abgehört. Nach den Verhaftungen stürmten 280 Beamte die Büro- und Privaträume der Verhafteten und beschlagnahmten Dokumente.

Die verschärfte Gangart der brasilianischen Polizei hielt UBS-Amerika-Chef Liechti – ein Top-Bereichsleiter mit rund 800 Mitarbeitern und steilem Karriereweg bis in die Generaldirektion – nicht von Reisen in den Amazonas-Staat ab. Der laut Mitarbeitern und Kollegen eloquent auftretende Liechti besuchte im April erneut seine vermögenden Kunden in Brasilien , die vom mehrjährigen Wirtschaftsboom im einstigen Entwicklungsland profitieren. Liechtis Rückflug führte über Miami. Im Transit des US-Zwischenhalts inhaftierte die Polizei den Manager.

Die UBS will Liechtis Verhaftung nicht kommentieren. Die Pressestelle bestätigt lediglich, dass ein Mitarbeiter in Amerika kurzzeitig arrestiert worden sei und er das Land vorläufig nicht verlassen dürfe. Die Bank kooperiere mit den Behörden. Zu einer allfälligen Herausgabe von Kundendaten via Rechtshilfe verweist sie an den Bund. Wenn die UBS den Amerikanern Transaktionen von Kunden melden müsste, wäre ihr Geschäftsmodell in der Vermögensverwaltung gefährdet.

In Bern beschäftigt Liechtis Fall mehrere Departemente. «Der Bundesrat ist informiert, nachdem die UBS den Fall den Behörden gemeldet hat», sagt Delphine Jaccard, Sprecherin des Finanzdepartements. Die Schweiz sei bereit, im Rahmen der Amts- und Rechtshilfe mit den US-Behörden zu kooperieren. «Bis heute haben die USA aber keinen Antrag gestellt», sagt Jaccard weiter. Auch das Departement für auswärtige Angelegenheiten (EDA) ist aktiv geworden. «Die schweizerische Botschaft in Washington ist im Department of Justice vorstellig geworden und hat sich nach den Umständen der Verhaftung des UBS-Mitarbeiters erkundigt», bestätigt EDA-Sprecher Georg Farago. Botschafter Urs Ziswiler intervenierte bisher erfolglos. UBS-Generaldirektor Liechti droht ausgerechnet in jenem Land, das nicht zu seinen Favoriten zählt, ein längerer Aufenthalt.

Julius Bär stützt angeklagten

Als im März 2006 die «Operation Schweiz» gegen ausländische Privatbankiers begann, geriet auch C. M. ins Visier der brasilianischen Bundespolizei. Er ist Portugiese und war Chef des Sitzes der Credit Suisse in der Finanzmetropole São Paulo. Vor Monatsfrist wurden M., zwölf weitere aktive und ehemalige Credit-Suisse-Angestellte sowie drei unabhängige Geldkuriere wegen Geldwäscherei und Beihilfe zu Steuerhinterziehung angeklagt. Das laufende Verfahren hielt die Konkurrentin Julius Bär nicht davon ab, den Brasilien -Kenner M. vor Jahresfrist zu verpflichten. Heute akquiriert und betreut M. von Zürich aus brasilianische Kunden von Julius Bär. Laut einem Sprecher weiss Julius Bär um die Anklage gegen M., zweifelt aber nicht an dessen Integrität. Zum laufenden Verfahren wollte sich der Sprecher nicht äussern. Gemäss Zeitungsberichten in São Paulo drohen den 16 Angeklagten bei einer Verurteilung mehrjährige Gefängnisstrafen.


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