Eklat nach dem 50-Jahr-Jubiläum

Die Unfallchirurgen-Vereinigung AO hat nach dem Forschungschef jetzt auch den CEO verloren. SonntagsZeitung, 27. Juli 2008
Der Höhepunkt fand auf 1500 Meter über Meer statt. Wer Rang und Name hat in der Behandlung von Knochenbrüchen, pilgerte Mitte Juni nach Davos. 800 Gäste feierten 50 Jahre Arbeitsgemeinschaft für Osteosynthese (AO). Diese vertritt die Interessen von weltweit 10 000 Unfallchirurgen.

Auf den Champagner folgte der Kater. Der CEO des AO-Forschungszentrums, Gregor Strasser, 54, kündigte per Ende August. Strasser war vor fünf Jahren von Unaxis, der Vorgängerin von OC Oerlikon, zur AO gestossen. Er wolle zurück in die Industrie, heisst es in Davos.

Der Abgang des AO-Chefs sollte möglichst keine Wellen werfen, nur die «Davoser Zeitung» schrieb darüber. Strasser weilt in den Ferien und konnte nicht erreicht werden. AO-Präsident Markus Rauh, 68, der als Ex-Präsident von Unaxis Strasser nach Davos geholt hatte, liess Anfragen unbeantwortet.

Die AO ist mit 230 Mitarbeitern eine wichtige Arbeitgeberin der Region und in der Unfallchirurgie eine Institution. Seit zwei Jahren steckt sie aber in der Krise.

Im Frühling 2006 verkaufte die AO ihre globalen Synthes-Markenrechte an die gleichnamige, im SMI vertretene schweizerisch-amerikanische Milliardenfirma. Die Ärztevereinigung erhielt dafür eine Milliarde Franken in Synthes-Aktien und als gestaffelte Barzahlung. Seit dem Deal ist der Tresor der Davoser voll, doch fehlen der Vereinigung die Köpfe.

Seit Monaten wird ausserdem ein Forschungschef gesucht

Neben dem CEO ist auch die Position des Forschungschefs seit Monaten vakant. Bei der Suche nach einem Nachfolger für Erich Schneider habe CEO Strasser keine glückliche Hand gehabt. Dies behauptet ein AO-Mitarbeiter, der nicht offiziell Stellung nehmen darf.

Die AO gibt keinen Kommentar zum Auswahlverfahren ab. Sie bestätigt lediglich, dass das Vakuum an der Spitze vorerst nicht durch einen internen AO-Manager gefüllt werde. Die Zügel als CEO und Forschungschef nimmt interimistisch ein Unternehmensberater in die Hand. Dies sei zwar «nicht ideal», sagt AO-Sprecher Herwig Dämon, aber unter den gegebenen Umständen eine «sehr gute Übergangslösung».

Die AO war jahrzehntelang Spitze in der Unfallforschung

Nach der Trennung von Synthes war die AO in eine Sinnkrise geraten. Seit der Gründung 1958 als Labor für operative Knochenbruchbehandlung war sie Spitze in der Unfallforschung. Die tonangebenden Ärzte vergaben Produktions- und Vertriebslizenzen für die Synthes-Marke an die Firmen Mathys, Stratec und Synthes. Das Gleichgewicht der Kräfte sprengte Synthes-Chef Hansjörg Wyss, als er 1999 Stratec übernahm, 2003 auch Mathys. Als er der AO zudem die Markenrechte abkaufen konnte, war der globale Marktleader mit 17 Milliarden Börsenwert geschafft.

Möglich gemacht hätten dies AO-Präsident Markus Rauh und seine Vertrauten, sagen Insider. Nach der Trennung von Synthes, die längst selbst Forschung auf Weltniveau betrieb, mussten Rauh & Co. eine neue Aufgabe für die AO finden. Nun soll in Davos nicht mehr an Grundlagen, sondern anwendungsorientiert geforscht werden.


Einen Kommentar schreiben