Die Spitzen der Wirtschaft haben geschlafen

Schweiz kämpft spät gegen deutsche Angriffe auf die «Steueroase» (SonntagsZeitung, 9. März 2008)

Als die deutschen Behörden Mitte Februar das kleine Liechtenstein ins Visier nahmen, rechneten Schweizer Banker mit dem Überschwappen auf unser Land. Doch erst am Freitag zeigte der Standort Flagge. Economiesuisse-Präsident Gerold Bührer wehrte sich in einem offenen Brief an den deutschen Finanzminister gegen den Begriff «Steueroase», am Abend stellte sich Bankiervereinigungs-Präsident Pierre Mirabaud in der «Arena» des Schweizer Fernsehens dem deutschen Ex-Finanzminister Hans Eichel.

Ihren Gegenschlag hätten die Bankiervereinigung , der Wirtschafts-Dachverband Economiesuisse und das Finanzdepartement von Hans-Rudolf Merz koordiniert, sagt ein Genfer Privatbanker. Weitere Aktionen seien aufgegleist, man habe sich von Deutschland nicht auf dem falschen Fuss erwischen lassen.

Doch selbst wenn die Gegenstrategie konzertiert und überlegt sein sollte, überzeugt sie erfahrene Kampagnenleiter nicht. «Die Alarmorganisation der Branche hat schlecht funktioniert», sagt Daniel Heller von Farner PR, einer grossen Kommunikationsfirma. «Man überliess das Feld zwei Wochen lang fast ungehindert den deutschen Angreifern.»

Heller, der eine kleine Aargauer Regionalbank präsidiert, sieht als Hauptgrund für die Ladehemmung des Finanzplatzes eine Führungskrise innerhalb der Bankiervereinigung . «Die Grossbanken haben Subprime-Sorgen, die Privatbanken ärgern sich über den Imageverlust durch die riesigen Abschreiber.» Wer den Banken-Spitzenverband in den Kampf gegen die deutschen Angriffe führe, sei nicht klar, sagt Heller.

In der SF-«Arena» verteidigte sich Bankiervereinigungs-Präsident Pierre Mirabaud mit dem Argument, jedes Land mache seine Gesetze selbst. Es war der erste Grossauftritt des obersten Bankenlobbyisten seit dem Aussetzer im Westschweizer TV, als er den Kauf gestohlener Daten mit «Gestapo-Methoden» verglichen hatte. «Der deutsche Steuerangriff hat die Schweiz erreicht», erklärt Thomas Sutter, Sprecher der Bankiervereinigung , die späte Gegenwehr der Finanzindustrie, die rund 15 Prozent der nationalen Wertschöpfung erzielt – im Kanton Zürich 25 Prozent.

Die Banken im Verband haben unterschiedliche Interessen

Das zögerliche Verhalten gründet für Urs Ackermann von der Zürcher Kantonalbank in den Machtverhältnissen im Bankenverband: «Die global tätigen Grossbanken wollen offenbar nicht mit lautem Einstehen für unser Bankgeheimnis ihrem Geschäft ausserhalb des Heimmarkts schaden.» Der Zürcher Bankenprofessor Hans Geiger bekräftigt: «Der Finanzplatz hätte längst substanziell Stellung beziehen müssen.» Geiger geht noch einen Schritt weiter: «Wir sollten den Spiess umdrehen und die Höchststrafe für Verletzung des Bankgeheimnisses von 6 Monaten auf 3 Jahre erhöhen.» Der deutsche Nachrichtendienst hatte einem verurteilten Liechtensteiner Ex-Banker Kundendaten für über 4 Millionen Euro abgekauft und damit die Steueraffäre ins Rollen gebracht.

Der offene Brief von Economiesuisse an Finanzminister Peer Steinbrück sei keine Idee der Bankiervereinigung gewesen, sagt Kampagnenleiter Urs Rellstab. Den Ausschlag hätten Steinbrücks Ausdruck «Steueroase» und sein Aufruf zum Rechtsbruch gegeben. «Da mussten wir uns wehren.» Weitere Aktionen seien nicht geplant.


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