Die Schweiz sitzt mit im Boot

Ohne den Finanzplatz Zürich gäbe es keine Steueroase Liechtenstein. (SonntagsZeitung, 24. Februar 2008)

Die Geschäftsführerin der liechtensteinischen Treuhändervereinigung kann den Angriff auf ihr kleines Steuerparadies kaum fassen. «Was ist nur in diese Deutschen gefahren», fragt Beatrice Noll Schurti, «wir sind doch mitten am Verhandeln.» Man sei Mitglied im Wirtschaftsraum EWR, bald sogar im Kontrollfreiraum Schengen, und folgen werde wohl ein Betrugsabkommen. «Wir passen uns laufend an», sagt Noll.

Das sieht Deutschland anders. Seit einer Woche stellen die Wortführer des 85-Millionen-Staats die 35 000 Liechtensteiner, die im Schnitt das Dreifache erwirtschaften, an den Steuerpranger. Eine Wirtschaft, die auf Zehntausenden von Stiftungen basiere, erinnere «an einen Schurkenstaat», polterte Joachim Poss, Finanzexperte der SPD. Kanzlerin Angela Merkel von der CDU mahnte an einem Treffen diese Woche Liechtensteins Regierungschef zu raschem Einlenken: «Die Zeit drängt.» Wenn nicht, drohte Finanzminister Peer Steinbrück, könnten einseitige Strafsteuern auf Überweisungen ins Ausland folgen.

Das Ländle ist dem deutschen Trommelfeuer ungeschützt ausgeliefert, vom Schweizer Finanzplatz meldete sich einzig der Genfer Pierre Mirabau. Doch das Geschwafel des Präsidenten der Bankiervereinigung von deutschen Fahndungsmethoden wie zu Nazi-Zeiten erwies dem Fürstentum einen Bärendienst. Seither macht die Finanzindustrie auf Schadensbegrenzung. «Wir finden es unnötig, uns in eine Auseinandersetzung zwischen Drittstaaten einzumischen», sagt ein Sprecher der mächtigen Bankenlobby.

Dabei profitieren Zürich und Vaduz gegenseitig voneinander. Ein Zürcher Rechtsanwalt kennt die Liaisons der Vermögensverwalter. «Meine Klienten erzählen mir von ausländischen Kunden mit unversteuertem Geld, denen sie auf Nachfrage die Visitenkarte ihres Liechtensteiner Treuhänders in die Hand drücken.» Rentabel sei das Schwarzgeld für beide, sagt auch ein bekannter Privatbanker, der aus Angst vor Nachteilen nur anonym sprechen will. «Die Kommissionen werden aufgeteilt, niemand kommt zu kurz.»

Liechtenstein als schummriger Hinterhof für die Schmuddeltransaktionen, mit denen sich die smarten Schweizer Banker die Hände nicht mehr schmutzig machen wollen – dieses Bild entspricht für viele der Realität. «Die Familienstiftung in Liechtenstein ist eine Struktur, die dazu einlädt, unversteuerte Gelder zu verheimlichen», sagt der Zürcher Steuerexperte und Rechtsanwalt Peter Hafter von der Wirtschaftskanzlei Lenz & Staehelin.

Steuerhinterziehung gilt in der Schweiz als Kavaliersdelikt

Wie stark an der Limmat aktiv der Weg ins Steuerparadies hinter dem Rhein gewiesen wird, lässt Hafter offen. Klar ist für den erfahrenen Juristen und früheren Bankenverwaltungsrat, was die Folgen für einheimische Täter sein müssten. «Wenn Schweizer Banken ihren Schweizer Kunden helfen, einen Teil ihres Vermögens über eine liechtensteinische Stiftung der Besteuerung zu entziehen, dann sollte dies als Gehilfenschaft bestraft werden können.»

Davon ist heute keine Rede, Steuerhinterziehung gilt hier zu Lande weiterhin als Kavaliersdelikt. Eine riskante Politik. Laut Hans Eichel, Ex-Bundesfinanzminister der SPD, ist die Eidgenossenschaft der Fels in der Brandung der globalen.

Das Schweizer Powerplay hat Gründe. Viele Banken und Vermögensverwalter im Finanzzentrum Zürich verdienen ihr Geld mit der Kapitalflucht aus dem Norden. «Bei uns stammt rund die Hälfte aller verwalteten Anlagen aus Deutschland», sagt ein Privatbankier eines alteingesessenen Zürcher Instituts. Nur ein Teil der Vermögen sei deklariert, beim grossen Rest handle es sich um unversteuertes Kapital.Sollte der sprudelnde Finanzstrom aus dem grossen Kanton versiegen, weil die Deutschen den umstrittenen Stiftungssumpf in Liechtenstein trockenlegen, träfe dies auch Helvetiens Finanzernte, glaubt der englische Steuer- und Geldwäschereiexperte Richard Murphy. «Liechtensteins Rolle ist die einer Verkaufsagentin, die das Geld gegen eine Gebühr in den Schweizer Finanzplatz einschleust. Wenn das Land als Einführerin wegfällt, wird auch in der Schweiz weniger investiert.»

Nachweise für Illegalität sind schwierig zu erbringen

Den deutschen Politikern sind vor allem die Familienstiftungen ein Dorn im Auge. Bereits für eine einmalige Gebühr von 30 000 Franken und jährlich wiederkehrenden Kosten von rund 8000 Franken errichten liechtensteinische Treuhänder und Anwälte ein effizientes Hinterziehungskonstrukt, das dem Stifter die Kontrolle über sein Vermögen ermöglicht, ohne namentlich in Erscheinung zu treten.

Im öffentlichen Register sind nur die offiziellen Stiftungsräte eingetragen, meist liechtensteinische und Schweizer Anwälte, Treuhänder und Banker. Was mit dem Vermögen der Stiftung tatsächlich passiert, ist in einem geheimen Bei-Statut festgehalten, das nur dem Stiftungsgründer und seinem Stiftungsrat bekannt ist. Meist steht im Statut nur eines: dass der Stiftungsrat das zu tun habe, was der Stiftungsgründer befiehlt.

Mit Wohltätigkeit hat die Familienstiftung à la Liechtenstein nichts gemein. Der Sinn des Gebens wird vielmehr ins Gegenteil verkehrt, indem grosse Vermögen nicht für immer Gemeinnützigem zukommen, sondern der Allgemeinheit – in Form von Steuerleistungen – entzogen werden.

Damit will Deutschland aufräumen. Seit Post-Präsident Klaus Zumwinkel kürzlich im medialen Scheinwerferlicht abgeführt wurde, ist klar: Kein Steuersünder kann mit Milde rechnen; als Ausweg bleibt nur die Selbstanzeige.

Doch das Kalkül geht für den deutschen Staat – vorerst – nicht auf. Reuige Steuersünder in der Warteschlange? Fehlanzeige. Erstens garantiert der freiwillige Gang zum Finanzamt nur dann Absolution, wenn nicht bereits ein Strafverfahren läuft, zweitens ist eine gestohlene CD mit Kundendaten kein Beweis für illegales Tun, da jeder eine solche herstellen kann. Hält der Hinterzieher weder Bank- und Stiftungspapiere in der Schublade noch verdächtige Mails im Laptop, ist ein Delikt kaum nachzuweisen.

Die Schwarzgeldverwaltung ist schlecht für unseren Finanzplatz

Der Schuss wird für Deutschland nach hinten losgehen, ist denn auch der langjährige Steuerexperte Patrick Burgy von der Revisionsgesellschaft KPMG überzeugt. «Hier geht es nicht um ein Problem des Fürstentums, sondern um eines Deutschlands. Dieses wollen die deutschen Behörden mit ihrem Frontalangriff auf Liechtenstein exportieren.»

Die schrumpfende Halbwertzeit der Steuerattacken lässt vermuten, dass überschuldete EU-Staaten wie Deutschland und Frankreich ernst mit dem Stopfen von Steuerschlupflöchern ma- chen. Die Schweizer Banken als Schwarzgeldverwalter par excellence sollten die Entwicklung vorwegnehmen und freiwillig auf Geheimniskrämerei verzichten, empfiehlt ein renommierter Steueranwalt. «Schwarzgeld ist wie ein wucherndes Krebsgeschwür», meint der Jurist. «A la longue ist das schlecht für unseren Finanzplatz.»


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