Die Gewinner der Krise

Bankenlandschaft im Umbruch: Stärke im traditionellen Geschäft birgt Chance. SonntagsZeitung, 12. Oktober 2008

Wenn dieser Sturm abklingt, kommt eine neue Landschaft zum Vorschein. «Nationalisierung und Konsolidierung sind die zwei Trends, die die Finanzindustrie jetzt verändern, und zwar rasant», sagt Markus Granziol , der 2002 von der Spitze der Investmentbank der UBS zurückgetreten war. «Es wird viele Verlierer und einige wenige Gewinner geben», glaubt der Bankenexperte.

Vieles hänge von den Behörden ab. Englische Banken dürften laut Granziol «dank den mutigen Regierungsentscheiden» besser abschneiden. Gute Karten hat insbesondere die HSBC (Aktienkurs: –16 Prozent im Jahresvergleich) mit ihrem weltweiten Kunden- und Firmengeschäft. Als die Regierung Brown diese Woche Staatsbeteiligungen für acht Banken ankündigte, gab HSBC postwendend ihren Verzicht auf die Hilfeleistung bekannt.

Spreu und Weizen trennen sich jetzt. US-Giganten wie J. P. Morgan Chase (–11%) und Wells Fargo (–22%) gehen in den USA als Sieger hervor. J. P. Morgan kaufte die Investmentbank Bear Stearns für ein Butterbrot und übernahm kürzlich die Operationen der maroden Washington Mutual. Wells Fargo, an der Milliardär Warren Buffett beteiligt ist, stach Citigroup (–70%) im Bieterkampf um Wachovia aus.

Die einst weltgrösste Citi lässt auch im Ausland Federn und zog sich im Frühling aus dem deutschen Retailgeschäft zurück. Konkurrentin Bank of America (–60%) legte hingegen nach dem Kauf der Investmentbank Merrill Lynch an Muskeln für die Zukunft zu.

«Big and universal» heisst das Losungswort in den USA, Stärke im Retailgeschäft in Europa. «Die spanische Santander (–36%) und die französische BNP Paribas (25%) konnten ihre Position durch geschickte Zukäufe verstärken», sagt Panagiotis Spiliopoulos von Vontobel. Die italienische Unicredit (–60%) und die Deutsche Bank (–65%) seien Wackelkandidaten.

England den Spaniern, der Rest Europas den Franzosen

Santander und BNP Paribas blieben nicht nur von Grossabschreibern im US-Kreditmarkt verschont, sie bewiesen auch ein feines Gespür für Opportunitäten. Mit der Benelux-Bank Fortis und der britischen Royal Bank of Scotland erwarben die Spanier 2007 die holländische ABN Amro für eine Rekordsumme, worauf sie die ihnen zufallende italienische ABN-Tochter Antonveneta mit einem Milliardengewinn weiterverkauften. Hingegen behielten sie die ABN-Tochter Banco Real, die nun ihre Brasilien-Basis verstärkt.

Der Spanien-Express überrollte auch England. Vor Jahren kaufte Santander Abbey National, nun fiel ihr die illiquide Hypothekarbank Bradford & Bingley in den Schoss. Santander hat sich damit als dritte Kraft in Englands Bankenmarkt etabliert.

Auch BNP Paribas positioniert sich im klassischen Banking mit Kleinkunden, Firmenkunden, Vermögensverwaltung und ausgewählten Investmentbank-Services. Statt England und Lateinamerika steht Kontinentaleuropa im Fokus. Die Franzosen schnappten sich Teile der illiquiden Fortis, nachdem sie einen Privatbanking-Arm der belgischen Dexia (–74%) erworben hatten.

Die Hypothekenbank Dexia zählt wie viele andere Institute der zweiten und dritten Liga zu den Verlierern, die wie die drei kollabierten Banken Islands zu schnell wuchsen, ohne genügend Zugang zu Kundengeldern zu haben.

Laut Bankenprofessor Beat Bernet von der Universität St. Gallen ist das Revival des Retailgeschäfts heute absehbar. «Die Spargelder einer breiten Kundschaft haben sich in dieser Krise als stabile Refinanzierungsquelle erwiesen», sagt Bernet .

Aber auch die Vermögensverwaltung für Gutsituierte werde wieder zum Erfolgsmodell. «Die Schweizer Grossbanken sind für die nächste Phase gut aufgestellt», ist Bernet deshalb überzeugt. UBS (–75%) und CS (–58%) hätten ihre Fähigkeiten im Private Banking ja nicht über Nacht verloren. Laut dem Bankenspezialisten sollten beide Institute ihr Investmentbanking weiter pflegen. «Die Umwälzungen in vielen Branchen werden die Nachfrage nach Beratung wieder ankurbeln», ist Bernet überzeugt. Der bisherige grosse Eigenhandel sei hingegen passé.


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