Charme made in Switzerland

In seiner Heimat gibt sich Viktor Vekselberg weniger liebenswürdig als hier zu Lande. SonntagsZeitung, 22. Juni 2008

Viktor Vekselberg ist mit seiner Charme-Offensive in der Schweizer Geschäftselite angekommen. Restzweifel beseitigte die Meldung von letzter Woche, dass der russische Milliardär zusammen mit Sulzer 37 Prozent der Industriefirma kontrolliert. Das löste ebenso wenig Reaktionen aus wie Vekselbergs Anteilsausbau auf 39 Prozent an der Oerlikon-Gruppe.

In seiner Heimat hat der 51-Jährige die feinen Handschuhe abgelegt. Einen Unterschied zwischen dem «guten» Oligarchen Vekselberg und den «bösen» übrigen Unternehmern Russlands, wie ihn die Schweizer Wirtschaft macht, sehen Beobachter nicht.

Der wüste Machtkampf um TNK-BP, ein 50:50-Joint-Venture zwischen Vekselberg und zwei russischen Geschäftspartnern und dem englischen Ölriesen British Petrolium, eskaliert. Die Russen fordern den Kopf des von BP bestimmten CEOs. Eine Scheidung zwischen BP und den Russen zeichnet sich ab. Für BP wäre das Aus ein Debakel. Öl und Gas erzielen Rekordpreise, und die Russen könnten bei TNK-BP die alleinige Macht anstreben.

Im Ton gibt sich Viktor Vekselberg gern konziliant. Gegenüber Reuters sagte er kürzlich: «Relevant ist jetzt, gemeinsam eine Lösung des Konflikts zu finden.» Doch der ungeliebte CEO wird von den Behörden einvernommen, viele West-Mitarbeiter müssen vermutlich das Land verlassen. Russland-Kenner sehen zwischen Vekselbergs und Mikhail Fridmans Geschäftsmethoden ausser im Stil keinen Unterschied. Fridman gehört zu Vekselbergs TNK-Troika und wurde beispielsweise wegen der Machtergreifung beim russischen Telefonkonzern Megafon angeklagt.

Auch der Schweizer Musteroligarch selbst ist in juristische Fallstricke geraten. Vekselberg ist wegen eines «Betrugskonstrukts» vor einem New Yorker Zivilgericht angeklagt. Er, sein Partner Leonard Blavatnik und weitere sollen sich unrechtmässig einen Grossteil der russischen Ölindustrie angeeignet haben.

Laut Vekselbergs Pressesprecher Markus Blume haben russische Gerichte die Vorwürfe mehrfach abgewiesen, und auch in den USA hätten die Kläger der kanadischen Ölgesellschaft Norex bisher verloren. «Die Anschuldigungen im Norex-Fall sind völlig substanzlos.» Norex-Anwalt Bruce Marks spricht hingegen von «massivem Betrug und massiver Geldwäscherei».

Beobachter glauben, dass Vekselberg USA-Verbot droht

Neben TNK-BP und dem Norex-Fall droht ein weiterer Geschäftspartner Vekselbergs Ruf zu belasten: Oleg Deripaska. Vekselberg brachte 2006 seine Aluminiumgruppe Sual in Deripaskas Rusal ein, die damit zu einer der grössten Aluminiumgesellschaften der Welt wurde.

Vekselbergs Problem mit Deripaska sind Rechtsstreitigkeiten in den USA und in England, wo ihn ein Gründer von Rusal-Vorgängerfirmen einklagt. Die US-Behörden haben gegen Deripaska ein Einreiseverbot verhängt. Die Norex-Zivilklage, so vermuten Beobachter, könnte die Staaten auch für Vekselberg bald zur Sperrzone machen. Für Sprecher Blume geniesst Vekselberg aber «höchstes Ansehen in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft». Er könne jederzeit in die USA einreisen.

Die weniger charmante Seite des Milliardärs bekam der Ex-CEO von Sual zu spüren, Vekselbergs Aluminiumgruppe. Der Südafrikaner Brian Gilbertson hatte Projekte mit seinem einstigen Chef. «Herr Vekselberg war ein frühzeitiger und bedeutender Förderer meines Private Equity Funds Pallinghurst», sagt Gilbertson. «Doch wir überwarfen uns, als Herr Vekselberg den Besitz des Fabergé-Brands forderte.» Für einmal erlitt Vekselberg eine Niederlage. Und kaufte statt der ganzen Marke viele Kunsteier des Hofjuweliers der Zaren.


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