Jetzt kämpfe ich

Firmensanierer Ernst Thomke über Machtpoker beim Medtech-Unternehmen Tecan, Ausverkauf von Traditionsfirmen und Managerlöhne.

Facts: Herr Thomke, Sie kommen von Grenchen nach Zürich, um an der Generalversammlung der kleinen Tecan den Präsidenten zu entmachten. Haben Sie nichts Besseres zu tun?

Ernst Thomke: Dieser Auftritt macht mir keine Freude. Es war nicht in unserem Sinn, dass die Diskussion um den VR-Präsiden-ten in den Medien ausgetragen wird. Jetzt kämpfe ich auch öffentlich für unser Anliegen.

Facts: Als 14-Prozent-Investor kann Ihre Gesellschaft BB Medtech offenbar einfach zum Präsidenten einer Gesellschaft gehen und ihn zum Rücktritt auffordern. Läuft das so in der Wirtschaft?

Thomke: Wir haben versucht, mit dem gesamten Verwaltungsrat eine Diskussion über die künftige Strategie zu führen und gemeinsam zu einem rationalen Entscheid zu gelangen. Es gibt eine Vielzahl von Gründen, die uns dazu bewogen haben, einen Führungswechsel zu fordern. Als Beispiel führe ich den Margenzerfall, die fehlende Strategie und die gescheiterte Akquisitionspolitik von Tecan an.

Facts: Wenn Sie Präsident einer Firma sind und ein Grossinvestor fordert Sie zum Gehen auf, dann gehorchen Sie?

Thomke: Selbstverständlich würde ich kämpfen und mich wehren. Wenn die Mehrheit dieser Meinung ist, würde ich gehen.

Facts: Sie sollten sich wehren, sagen,

dass es viele andere Aktionäre gebe, die zufrieden seien.

Thomke: Das ist legitim, deshalb haben wir die Abstimmung bei Tecan. Im Kern geht es um einen philosophischen Unterschied. Herr Baronian (der VR-Präsident, Red.) meint, er könne seine Aufgabe mit vier, fünf Sitzungen pro Jahr erledigen. Wir denken, dass Tecan, die in einem extrem dynamischen Markt tätig und mit täglichen Veränderungen durch neue molekularbiologische Erkenntnisse herausgefordert ist, Fachkenntnisse auf VR-Ebene braucht. Maschineningenieure und Marketingprofessoren allein genügen nicht.

Facts: Was ist die Philosophie Ihres Beteiligungsvehikels BB Medtech?

Thomke: Wir wollen, dass die Firma Geld verdient und die Aktionäre dadurch auch. Ein klassisches Beispiel ist Nobel Biocare. Die schwedische Dentalfirma war ebenfalls eine schlafende Perle, das Management nicht ambitioniert, der VR zu wenig aktiv. Dann engagierten wir uns in einer konstruktiven, langfristigen Form und holten viel mehr heraus als unsere Vorgänger – zum Vorteil aller.

Facts: Was unterscheidet Sie von Hedgefonds, den so genannten Heuschrecken, wie die englische Laxey, die Saurer erobern wollte und jetzt gerade hinter der Baufirma Implenia her ist?

Thomke: Ich kenne Laxey zu wenig, um ein Urteil zu fällen. Was wir wollen, ist klar. Wir wollen durch das Einbringen geeigneter Fachleute versuchen, der Firma echten Mehrwert zu bringen, nicht nur Börsenmehrwert. Bei BB Medtech haben wir dieses Ziel mit über 20 Prozent Durchschnittsrendite in den letzten Jahren erreicht.

Facts: Traditionelle Industriefirmen wie Oerlikon, Saurer, SIG, vielleicht bald Sulzer oder Ascom werden von Ausländern übernommen. Viele sind skeptisch. Zu Unrecht?

Thomke: Ein wesentlicher Unterschied könnte sein, dass wir ausschliesslich eine industrielle Optimierung anstreben und keine weiteren Ambitionen haben. Ob die Österreicher bei Oerlikon dieselbe Zielsetzung haben, kann ich nicht abschätzen.

Facts: Sehen Sie hinter dem Zusammenfügen von OC Oerlikon und Saurer eine industrielle Logik?

Thomke: Eine Synergie zwischen Oerlikon und Saurer sehe ich kaum. Oerlikon ist auf völlig anderen technologischen Gebieten tätig und unterliegt anderen Industriezyklen.

Facts: Oerlikon-Konzernchef Limberger wurde beim amerikanischen Industriegiganten General Electric gross, ihm schwebt ein ähnlicher Gemischtwarenladen vor.

Thomke: Vielleicht funktionierts. Was mich skeptisch macht, sind die Finanztransaktionen, aber da haben die Banken auch mitgespielt.

Facts: Bedauern Sie, dass es nicht Schweizer Investoren sind, welche die Firmen aufkaufen?

Thomke: Überhaupt nicht. Die Besten sollen es machen. Wir sind ja auch nach Schweden gegangen.

Facts: Würden Schweizer Investoren nicht eher die Arbeitsplätze und die Produktion hierbehalten und den Standort stärken?

Thomke: So lokal kann man heute nicht mehr denken. Die Schweiz hat viele Stand-ortvorteile mit gut ausgebildeten Leuten und technischem Know-how von Weltspitze. Das bleibt hier bestehen, solange wir konkurrenzfähig sind.

Facts: Dass eine Ascom mit sicherheitsrelevanten Produkten oder eine Sulzer in ausländische Hände fallen könnten, beunruhigt Sie nicht?

Thomke: Nein. Ich glaube auch nicht, dass man solche Firmen über Nacht ins Ausland verschieben kann. Da gibt es zu viele Netzwerke, die über die Jahrzehnte gewachsen sind.

Facts: Ihre BB Medtech wird von der Belle-vue-Gruppe geführt. Deren Chef Martin Bisang hat von der Bankenkommission eine Verwarnung erhalten. Legen Sie immer noch die Hand für ihn ins Feuer?

Thomke: Selbstverständlich. Martin Bisang sagt, das Urteil sei nicht richtig, und ich glaube ihm. Ich kenne seine Familie, ich kenne ihn selbst, das sind rechtschaffene Leute. Ich kann mir nicht vorstellen, dass er aus irgendwelchen Motiven irgendetwas Unehrenhaftes gemacht hat.

Facts: Wenn Sie von seiner Unschuld überzeugt sind: Was denken Sie von der Schweizer Presse und der öffentlichen Aufregung, die zum Ende der Swissfirst geführt hat?

Thomke: Diese Geschichte ist unschön, und ich weiss bis heute nicht, was wahr und was unwahr ist. Wir müssen die strafrechtlichen Untersuchungen abwarten.

Facts: Steht hinter der Aufregung auch Neid auf junge Banker, die über Nacht zu Multimillionären werden?

Thomke: Ja, es gibt Neid, aber es gibt auch Fehlverhalten von jungen Bankern – nicht bei Bisang -, indem sie mit dem vielen Geld nicht mehr zurechtkommen. Was die für Villen kaufen, für Autos, da komme ich mir immer blöd vor in meinem kleinen Haus.

Facts: Bisang lebt auch nicht gerade bescheiden.

Thomke: Er ist ja auch kein junger Banker und fährt auch keine teuren Autos.

Facts: Immerhin einen Aston Martin.

Thomke: Einen Audi-Kombi und einen Mini. Es gibt andere Banker, die wertvolle Autos fahren.

Facts: Wer?

Thomke: Ich will keine Namen nennen. Tatsache ist, dass das Geld leicht verdient ist und die jungen Leute dann oft den Boden unter den Füssen verlieren.

Facts: Und meinen, sie könnten sich alles erlauben?

Thomke: Da gibt es Ingenieure, die für hervorragende Leistungen 7000 Franken pro Monat erhalten, und daneben sieht man 30-jährige Banker als Grossverdiener. Viele Leute gehen daran charakterlich kaputt.

Facts: Die Entwicklung beginnt ganz oben. CEOs wie die Herren Vasella, Ospel und Grübel geben mit ihren Entschädigungen über 20 bis 40 Millionen Franken den Takt an. Braucht es ein Umdenken?

Thomke: Die Diskussion um die Toplöhne finde ich negativ, nicht weil ich das viele Geld Herrn Vasella und Herrn Ospel nicht gönnen würde, sondern weil die von der Presse geschürte öffentliche Aufregung gesellschaftsschädigend ist. Es gibt einen weit verbreiteten Frust.

Facts: Wer macht den Fehler?

Thomke: Der liegt darin, dass sich ein kleiner Kreis den Lohn gegenseitig zuschanzt. Man sollte den Aktionär involvieren, und ich bin sicher, jeder Investor ist grosszügig. Auch bei BB Biotech waren die Eigentümer mit unseren hohen Entschädigungen zufrieden, weil sie von der erzielten Performance profitierten. Man muss die Lohnfestlegung aus den Geheimzirkeln herausnehmen und sie vor die Generalversammlung bringen.

Facts: Bei einem Multi ist das nicht so einfach wie bei Ihren kleinen Gesellschaften, da muss eine tausendköpfige Aktionärsschar darüber entscheiden.

Thomke: Wo liegt das Problem? Vermutlich würden die Vorschläge doch alle angenommen, vor allem wenn die Beträge transparent vorliegen und klar ist, wie sie sich zusammensetzen aus Baranteil und Optionen, die vielleicht einmal etwas wert sein werden, vielleicht auch nicht.

Facts: Sie sind für die Volksinitiative gegen Abzocker?

Thomke: Neue Verfassungsartikel brauchen wir sicherlich nicht, das sollen die Firmen selbst regeln. Der Aktionär stellt schliesslich der Firma sein Geld zur Verfügung, also soll er auch entscheiden, was damit zu geschehen hat. Es ist im Interesse des Verwaltungsrats, den Aktionär in solche Entscheide einzubeziehen.

Facts: Sie sind 68. Was tun Sie heute, ausser Palastrevolutionen bei Schweizer Firmen anzuzetteln?

Thomke: Ich berate und finanziere viele kleinere Unternehmen. Und in Sambia verteilen wir Preisgelder an Jungunternehmer. Im Unterschied zur Entwicklungshilfe, die einfach Geld ausschüttet, müssen wir die Leute lehren, selbst Einnahmen zu erzielen. Viele der über 100 Unternehmer, die bei unserem Wettbewerb mitgemacht haben, studierten im Ausland und wollen jetzt in ihrer Heimat Sambia etwas Eigenes auf die Beine stellen.

Facts: Wie viel investieren Sie?

Thomke: In einer ersten Phase eine halbe Million Franken, bei positiver Entwicklung maximal zehn Millionen.

Facts: Alles aus Ihrer Tasche?

Thomke: Ja.

Facts: Warum tun Sie das? Andere Multimillionäre horten ihr Vermögen.

Thomke: Ich habe mein Vermögen selbst erarbeitet und weiss, dass Unternehmer sein etwas Faszinierendes ist. Die Begeisterung, etwas Eigenes aufzubauen, zu vermarkten, zusammen mit Leuten Arbeitsplätze zu schaffen, möchte ich anderen weitergeben. Kommt hinzu, dass junge Leute von den Banken erst dann Geld erhalten, wenn alles abgesichert ist.

Facts: Das ist Ihre Art von Wohltätigkeit.

Thomke: Ich mache aktives Sponsoring von Unternehmen. Allerdings soll es nicht wohltätig sein, sondern jungen Firmen helfen, etwas Rentables auf die Beine zu stellen.

Facts: Sie wollen etwas verdienen?

Thomke: An mich fliesst nichts zurück. Ich habe eine Non-Profit-Gesellschaft, die in Jungunternehmen investiert, welche einen Teil der künftigen Gewinne zurückerstatten müssen, damit weitere Start-ups profitieren können.

Facts: Fliegen Sie immer noch?

Thomke: Nur noch privat. In einer halben Stunde muss ich zur jährlichen Arztuntersuchung.

Facts: Alles in Ordnung?

Thomke: Ich glaube schon. Und wenn nicht, gibt es noch viel anderes im Leben.

Showdown

Bei der Laborgeräte-Herstellerin Tecan in Männedorf ist ein Machtkampf ausgebrochen. Die BB Medtech, eine Beteiligungsfirma mit Ernst Thomke an der Spitze, fordert den Rücktritt des VR-Präsidenten Mike Baronian. BB Medtech besitzt 14 Prozent der Tecan-Aktien. Sie will eine Strategieänderung des Unternehmens erreichen.

Ernst Thomke, 68

Berühmt wurde der Bieler als Manager bei der Swatch. Der studierte Mediziner machte sich später als Sanierer einen Namen (Motor Columbus, Saurer, Bally). Nachhaltige Wirkung hat das Engagementvon Thomke bei den Unternehmen Phonak und Nobel Biocare gezeigt.


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