Costas und die Zockerbande

Anfänglicher Erfolg machte die Hedge-Fund-Manager der UBS zu Hasardeuren – die Rechnung bezahlt jetzt die Bank.

Es sprach der Präsident: Lediglich 300 Händler im UBS -Investment-Banking seien für die Milliardenabschreiber direkt verantwortlich, erklärte Marcel Ospel. 300 von 80 000 Mitarbeitern also. Wie die BILANZ berichtete, war zumindest die Konzernleitung der UBS bereits im Jahr 2002 von internen Risikospezialisten vor den Gefahren gewarnt worden. Zwar ordnete das operative Management ein paar harte Tests für das US-Immobilienportefeuille an – es war der heutige CEO Marcel Rohner, der eine verschärfte Prüfung verlangte -, doch obwohl diese Checks schon damals Verluste in Höhe von mehreren hundert Millionen Dollar ergaben, entschied sich die oberste Rennleitung für eine Fortsetzung des riskanten Kurses.

Gut möglich, dass die UBS -Chefs in der Zürcher Zentrale vor allem dem Drängen ihrer angelsächsischen Stars der Investmentbank nachgaben. Diese stiessen in der zweiten Hälfte der neunziger Jahre von der Konkurrenz zur grössten Schweizer Bank und wollten ihren Berufskollegen bei den grossen New Yorker Wall-Street-Häusern zeigen, aus welchem Holz sie geschnitzt sind. Als sie 2005 mit dem Absprung drohten, erhielten sie von Marcel Ospel und dem damaligen Konzernchef Peter Wuffli Carte blanche für ihren eigenen Hedge Fund namens Dillon Read Capital Management (DRCM).

Drei Männer gaben bei DRCM bis zu diesem Frühling den Takt an. Ken Karl (49) hatte jahrelang den Eigenhandel der Schweizer Grossbank geleitet. Bei DRCM war Karl oberster Handelschef und verdiente bis zu 50 Millionen Dollar im Jahr.

Mit von der Partie war Mike Hutchins (52). Hutchins gilt als versierter Kenner der Finanztheorie und -mathematik, der die Risikomodelle im Griff hat und weiss, wie man durch geschicktes Dealen minderwertige Ware in Gold verwandelt. Hutchins verdankte sein Berufsglück genauso wie Karl dem langjährigen Aushängeschild der UBS – Investmentbank, John Costas . Karl, Hutchins und der 50-jährige Costas hatten seit 1996 die Gewinne des Schweizer Finanzriesen im weltweiten Spekulationsmonopoly in die Höhe geschraubt.

Die drei Herren genossen alle Freiheiten. Ausgestattet mit unerschütterlichem Selbstvertrauen, pilgerten sie mit einer Broschüre durch die US-Investmentlandschaft. Und weil sie Profis sind, schlossen sie auf den 22 mit «confidential» (geheim) überschriebenen Seiten alle Haftungsansprüche aus, bevor sie die Zukunft in den buntesten Farben zeichneten.

Für grosse Wetten brauchte es eine Finanzpower, die den drei Masters of the Universe trotz ihren hohen Einkommen fehlte. So brauchten sie die UBS als potente Supporterin. Die Schweizer stellten 100 Milliarden Dollar ihrer Bilanz zur Verfügung, die es den dreien erlaubte, die seit 1998 aufgebauten Immobilienpositionen weiter zu vergrössern. Immerhin die ersten Jahre dienten als Erfolgsnachweis: Die bisherigen Abteilungen innerhalb der UBS , wo Costas & Co. ihre gigantische

Position aufgebaut hatten, hiessen PFCA (Principal Finance and Credit Arbitrage) und CRE (Commercial Real Estate). Im Jahr 2001 verbuchte die UBS dort Erträge über 601 Millionen Dollar, 2005 waren es bereits 1161 Millionen. Die rund 150 Mitarbeiter erzielten pro Kopf einen jährlichen Umsatz von rund acht Millionen Dollar. Die übrigen Angestellten der Investmentbank erzielten nicht einmal eine Million.

Trotz der glänzenden Fassade wollten sich jedoch nur wenige Investoren am neuen Dillon – Read -Vehikel beteiligen. Im Markt hatte sich zu diesem Zeitpunkt wohl längst herumgesprochen, dass die Crew auf einem Berg von Subprime-Papieren, das heisst von minderwertigen US-Hypotheken, sass.

Im Mai 2007 zog die UBS den Stecker. Dillon Read habe «die eigenen Erwartungen nicht erfüllt», liess sich nun CEO Peter Wuffli vernehmen. Was vorerst nach einem Schaden von einer halben Milliarde aussah, weitete sich rasch zur existenziellen Krise aus. Wuffli musste zwei Monate später das Büro räumen, Präsident Marcel Ospel musste Anfang Dezember Abschreibungen über insgesamt 16 Milliarden Franken und einen voraussichtlichen Verlust für das gesamte Jahr 2007 beichten.

«Wir würden doch nicht von Aufsichtsbehörden und Ratingagenturen für unsere Vorsicht ausgezeichnet, wenn wir eine übermässig risikobelastete Bilanz hätten», sagte Ospel im Sommer 2005 in einem Gespräch. Und weiter: «Ich bin bekannt für hohe Risikoaversität. Und John Costas ist von seinem Naturell her noch viel risiko-averser als ich.»

Inzwischen ist klar: Selbst wenn Costas und seine Helfer zwischen 1996 und 2006 jedes Jahr eine Milliarde Franken Gewinn für die Bank erzielt haben sollten, fällt die Schlussbilanz nach den Abschreibern negativ aus. Als die Costas -Leute zum hausinternen Hedge Fund Dillon Read gewechselt hatten, war nicht mehr automatisch der Chef der Investmentbank, bis dato John Costas selbst, Vorsitzender des Risikoausschusses der Geschäftsleitung, sondern der Konzern-Risk-Manager. Zumindest dieser Interessenkonflikt, der unter Costas jahrelang bestanden hatte, war damit gelöst.


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