Suche nach der Idealbesetzung

Nach dem Debakel mit Nelly Wenger muss sich Nestlé-Konzernchef Brabeck entscheiden: Soll er noch einmal einen Newcomer holen oder auf bewährte Kräfte setzen?

An die Zeit von Nelly Wenger erinnert im Eckbüro nichts mehr. Als die ehemalige Expo-Chefin vor zwei Jahren an die Spitze von Nestlé Schweiz geholt wurde, stellte sie einen sechs Meter langen Tisch dominant in den Raum, liess drei schwere Glockenlampen an die Decke hängen und einen schwarzen Parkettboden installieren. Wengers Botschaft an ihre Kaderleute lautete: An diesem Tisch diskutieren und ringen wir, bis wir eine Lösung gefunden haben. Computer und Telefon gab es nicht, von aussen erreichbar war die Chefin nur über ihr Handy.

Jetzt sieht das Chefzimmer wieder wie ein normales Büro aus. Telefon und PC sind installiert, Berichte liegen herum, mittendrin sitzt Hervé Cathelin, stellvertretender Europa-Chef von Nestlé. Er führt den Betrieb so, wie es beim Nahrungsmittelmulti von jeher üblich ist. Mit einer Rückkehr von Wenger, die sich Ende September für drei Monate krankheitsbedingt zurückzog, rechnet hier niemand.

Der Rückbau des Chefbüros ist das eine, symbolische Zeichen für das Ende der Ära Wenger bei Nestlé Schweiz. Das andere, konkrete: Die Cailler-Tafeln werden statt in Plastik wieder in Papier gehüllt. Weil die Schweizer äusserst konservative Schokoladenkonsumenten sind, ist die Verpackungsrevolution der Nelly Wenger gescheitert. Nach dem 50-Millionen-Flop steht Konzernchef Peter Brabeck vor einer schwierigen Entscheidung: Soll er erneut einem Newcomer die Chance geben? Oder wieder auf altbewährte Kräfte setzen?

Die Wahrscheinlichkeit ist gross, dass Brabeck kein Risiko mehr eingehen will. So wird als erster Anwärter auf die Wenger-Nachfolge Peter Vogt gehandelt. Der Mann blickt auf eine Bilderbuchkarriere bei Nestlé zurück. Vor drei Jahrzehnten noch Praktikant, ging er früh nach Fernost, arbeitete in Japan, Korea und Sri Lanka und löste als Skandinavien-Chef Alexander Jost ab, als dieser im Sommer 2000 zum Schweiz-Chef befördert wurde. Zwei Jahre später übernahm Vogt zusätzlich zu seinem Job in der Zentrale die oberste Verantwortung für das Glacegeschäft in Deutschland, das nach der Übernahme von Schöller und Mövenpick neu aufzugleisen war. So wie Hervé Cathelin, der jetzige Interimschef von Nestlé Schweiz, amtete auch Vogt eine Zeit lang als stellvertretender Europa-Zonenchef. «Vogt ist eine Respektsperson, immer korrekt, höchst zuverlässig», sagt ein langjähriger Topshot.

Als Vogts Kinder ins Teenageralter kamen und sich die Familie in Küsnacht am Zürichsee eingerichtet hatte, habe der Nestlé-Kadermann mit dem Job des bald frei werdenden Schweiz-Chefs geliebäugelt, berichten Weggefährten. Zur grossen Überraschung des Schweizer Personals hievte die Konzernleitung unter CEO Brabeck im Frühling 2004 dann aber die schillernde Nelly Wenger auf den Schild. Statt nach Vevey zog Vogt erneut nach Asien und wurde Indonesien-Länderchef.

Cailler könnte verkauft werden

Die Ernennung des Urgesteins Peter Vogt wäre ein deutliches Zeichen, dass sich Nestlé Schweiz auf seine Wurzeln besinnt. Eine hundertprozentige Rückkehr zum alten Zustand wäre aber ein Fehler, behauptet ein langjähriger Nestlé-Marketingmann. «Cailler dümpelt seit Jahren; wenn nichts unternommen wird, bleibt nur der Verkauf der Marke.»

Das würde dafür sprechen, erneut frisches Blut an die Spitze von Nestlé Schweiz zu holen, um einen zweiten Anlauf zur Verjüngung der Marke Cailler zu nehmen. Mut zu solch kalkuliertem Risiko wird dem jungen Alain Germiquet zugetraut, den Nelly Wenger vom Zürcher Nahrungsmittelhersteller Hiestand holte und der bei Nestlé Schweiz für sämtliche Kundenbeziehungen zuständig ist. «Ein perfekt zweisprachiger Jurassier, sehr gewinnend», sagt ein Schweizer Kadermann. Ein anderer setzt ein Fragezeichen hinter den Zeitpunkt. «Germiquet ist noch zu wenig lang dabei, ihm fehlt das interne Netzwerk.» Ein Punkt, der auch Wenger zum Verhängnis wurde.


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