Markus Rauhs «Notlüge»

Der Ex-Swisscom-Präsident rechtfertigt in einem Brief seinen Optionen-Handel

«Personal Manifesto» steht über dem Brief vom 26. September 2006, «Dear friends and business partners» lautet die Begrüssung. Markus Rauh entschuldigt sich bei den Chefs der Arbeitsgemeinschaft für Osteosynthese (AO) mit Sitz in Davos, einer einflussreichen Unfallchirurgenvereinigung, an deren Spitze Rauh steht. «Ich bedaure diese jüngsten Entwicklungen, entschuldige mich und bin persönlich sehr enttäuscht», schreibt Rauh.

Ansonsten sieht er sich als Opfer seines «leidenschaftlichen, zeitntensiven und teuren» Einsatzes gegen das Asylgesetz. «Meine Gegner aus dem rechten Lager taten alles, um mich zu diskreditieren und meine Glaubwürdigkeit in der Öffentlichkeit zu untergraben.»

Seine mögliche Mitschuld am Vertrauensverlust sieht er hingegen nicht. Im November 2005 hatte er kurz vor dem Privatisierungsentscheid des Bundesrats Put-Optionen für seine Swisscom-Aktien gekauft und damit als Verwaltungsratspräsident auf sinkende Kurse des Unternehmens spekuliert. Auch die Tatsache, dass er das Geschäft zuerst leugnete, ist für ihn kein Problem. «Ich bereue die Notlüge nicht», schreibt Rauh.

Als ihn ein ihm «unbekannter Journalist der SonntagsZeitung» mit der «direkten und provokativen Frage» konfrontiert habe, ob er persönlich die Optionen gekauft hätte, habe er eine «Notlüge» für «einen höheren Zweck» benutzt, aus Rücksichtnahme auf die vielen Menschen, die «Schutz in unserem Land» suchten.

Die Behauptung Rauhs, der Journalist sei ihm unbekannt, ist nicht nachvollziehbar. Immerhin hatte dieser – es handelt sich um «Wirtschaft»-Ressortleiter Arthur Rutishauser – mit ihm in den letzten 18 Monaten drei grosse Interviews und mehrere Hintergrundgespräche geführt. Zudem sagte Rauh beim fraglichen Telefongespräch von sich aus, er habe nichts mit dem Optionsgeschäft zu tun. Rauh ist in den Ferien und beantwortet keine Anfragen.

Es ist kein Zufall, dass sich Rauh mit seinem Schreiben an die Chefs der Arbeitsgemeinschaft Osteosynthese wendet. Im Frühling hatte er im Namen der AO alle Rechte an die Medizinaltechnikfirma Synthes für eine Milliarde Franken verkauft – dies obwohl zwischen AO und Synthes ein vorteilhafter Vertrag bis Ende 2011 bestand. Allein 2005 strich die AO rund 90 Millionen Franken Lizenzgebühren ein.

Markus Rauh sei vom mächtigen Synthes-Besitzer Hansjörg Wyss, «gekauft» worden, behaupten Kritiker seither. Rauh ersetzte Wyss Anfang 2001 im Verwaltungsrat der AO-Tochtergesellschaft, die die Patente verwaltete. Ende 2002 schlug ein Vertrauensmann von Wyss Rauh als Präsidenten der AO vor. Seiher führte Markus Rauh die Verkaufsgespräche mit Wyss.

Die Zeitung «Cash» berichtete von der Wut einiger Chirurgen, die Rauh vorwerfen, das geistige Eigentum der AO entgegen seiner Verpflichtung als Ärztevertreter an die Partnerfirma Synthes «verscherbelt» zu haben. Christoph Pappa, Generalsekretär der Universität Bern, welche die AO wegen Patentverletzungen vor Gericht zieht, sagt: «Meiner Meinung nach hat Herr Rauh die Interessen der AO-Ärzteschaft nur suboptimal gewahrt.»

Der Kauf der Rechte war für Wyss wichtig. Jetzt kann der Berner mit Wohnsitz in den USA seine Firma ohne Abschlag verkaufen. Im Gespräch ist US-Medtechmulti Zimmer, die vor Jahren Sulzer-Medica erworben hatte. Nach einem Verkauf müssten die AO-Ärzte mit der neuen Besitzerin erneut über eine Zusammenarbeit verhandeln.

Verwarnung und Verfahren

Der ehemalige Swisscom Präsident Markus Rauh wirbt um Verständnis für seine im November 2005 gekauften Swisscom-Put-Optionen. Ihm sei die Meldepflicht nicht bewusst gewesen, schreibt er. «Ich gebe zu, dass dies vielleicht ein wenig unaufmerksam von mir war.» Das fand die Schweizer Börse (SWX) offensichtlich auch und verwarnte ihn einerseits persönlich für die Meldung, die 55 Tage zu spät erfolgte, und andererseits die von ihm damals prädisierte Swisscom für eine weitere Verzögerung von acht Tagen. Zudem eröffnete die Zürcher Staatsanwaltschaft ein Insiderverfahren gegen Rauh.


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