«Vielen fehlt es an Fachkompetenz»

Ulrich Grete, Ex-UBS-Generaldirektor, legt 21 AHV-Milliarden sicher und Gewinn bringend an. Schuld an der Pensionskassenkrise seien die Firmenchefs, nicht der Gesetzgeber.

BILANZ: Herr Grete, gibt es in der Schweiz einen PK-Sumpf oder nur ein paar schwarze Schafe?

Ulrich Grete: Beides. Wir sehen «Affären» ­ ob es straf- oder zivilrechtliche Verstösse sind, wird sich weisen. Wichtiger sind die Systemschwächen. Zu viele PK sind ungenügend geführt.

Was machen sie falsch?

__ Fehler sind bei der täglichen Bewirtschaftung der Anlagen passiert. Welches sind die Kernaufgaben, was lassen wir andere für uns erledigen? Diese Frage muss jede PK-Leitung beantworten. Das tägliche Kaufen und Verkaufen von Wertschriften soll man Profis ­ Banken, Vermögensverwaltern ­ überlassen.

Ihr AHV-Fonds befolgt Ihren Rat?

__ Intern bewirtschaften wir nur Darlehen, Obligationen in Franken und in Fremdwährungen. Es handelt sich um liquide Titel, bei denen der AHV-Fonds die Preise nicht beeinflussen kann.

Schweizer Aktien kaufen Sie keine?

__ Doch, natürlich. Aber das machen wir nicht selbst.

Aktien, Immobilien und Devisen lassen wir von externen Verwaltern bewirtschaften, mit klaren Vorgaben von uns.

Die PK-Manager von Rieter und Siemens waren stark in illiquiden Swissfirst-Aktien investiert. Ist das schlecht?

__ Für Investments in Einzeltiteln braucht es Klarheit über die eigene Risikofähigkeit. Daran fehlt es vielen PK. Aktien von Schweizer KMU, die zu über 50 Prozent in festen Händen sind, kaufen wir nicht.

Und Aktien von Konzernen?

__ Da wissen alle alles, da folgt man besser dem Index, etwa dem SMI, das kommt billiger. Bei kleineren Titeln hingegen kann man mit guter Analyse überdurchschnittlich gut abschneiden. Doch Analyse kostet. Diesen Service sollte man nicht intern aufbauen, sondern bei den Besten einkaufen.

Welche Aufgaben muss eine PK selbst erledigen?

__ Erstens muss sie für sich ein Renditeziel und die Risikotoleranz festlegen. Zweitens muss sie sich für Anlageklassen entscheiden, zum Beispiel Rohstoffe ja oder nein. Drittens stellt sich die Frage der Art der Bewirtschaftung, ob nur Indexprodukte gekauft werden oder auch Einzeltitel. Viertens braucht es eine Asset Allocation, wie das Vermögen auf Aktien, Obligationen, Immobilien usw. verteilt werden soll. Fünftens muss die PK geeignete Asset Managers auswählen, denen sie die tägliche Bewirtschaftung von Anlagen überträgt. Sechstens muss sie sich so organisieren, dass sie die Einhaltung ihrer Vorgaben wirksam überprüfen kann.

Tönt wie das kleine Einmaleins in der PK-Verwaltung.

__ Das ist es auch. Zu 90 Prozent hängt eine erfolgreiche Anlagebewirtschaftung von der Lösung dieser sechs Aufgaben ab. 10 Prozent lassen sich durch die Anlagen im Einzelnen und das tägliche Kaufen und Verkaufen erzielen.

Das führt zur Kernfrage:

Wo liegt die Schwäche in der PK-Führung?

__ Wie überall braucht es die richtigen Leute. Im Fall der PK geht es um die Zusammensetzung des Stiftungsrats. Es braucht eine wirksame Mischung aus Finanzkenntnissen und gesundem Menschenverstand.

Davon steht im Gesetz nichts.

__ Verlangt werden gleich viele Arbeitgeber- und Arbeitnehmervertreter, also eine paritätische Zusammensetzung. Diesen Passus müsste man gelegentlich korrigieren. Aber er ist keine Entschuldigung dafür, nicht wirklich fähige Leute in die oberste Führung zu berufen.

Ein gravierendes Problem?

__ Ich muss leider festhalten, dass es bei einer erheblichen Zahl schweizerischer PK deutlich an Fachkompetenz mangelt. Obwohl es genügend fähige Personen geben würde.

Warum landen die falschen Leute in den Stiftungsräten?

__ Ein Stiftungs- oder ein Verwaltungsrat hat wie jedes strategische Obergremium einen Leithammel. Das ist meist der Vorsitzende. Und der ist halt dafür verantwortlich, dass es in seinem Team genügend Sach- und gesunden Menschenverstand gibt.

Oft präsidieren Leute aus der Chefetage die PK. Denen fehlt es an Sachverstand?

__ Ein Finanzchef auf dem PK-Präsidentenstuhl versteht zwar die Finanzmaterie, aber er ist nicht unabhängig, weil er mehrere Hüte trägt. Einem altgedienten Werkmeister anderseits fehlt es am finanztechnischen Wissen. Oft wäre ein Neutraler von aussen die beste Lösung. Das Gesetz lässt das ohne weiteres zu.

Wer muss handeln?

__ Der Gesetzgeber überträgt die Organisationsverantwortung der PK den Unternehmen. Also müssen diese für eine zweckmässige und fachkundige Struktur und genügende Regeln sorgen.

Ulrich Grete (64) ist Präsident des AHV-Ausgleichsfonds und steht der Pensionskasse Hotela vor, die vier Branchenverbände abdeckt. Grete sass bis 1998 in der Konzernleitung der UBS, danach leitete er die Jahr-2000-Taskforce des Bundesrats.


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